
„Wo kann ich trauern um alle Opfer dieses Konfliktes?“
Als am 7. Oktober 2023 durch den Terroranschlag der Hamas der Konflikt zwischen Israel und Palästina erneut eskalierte, löste dies weltweit große Bestürzung aus. Viele Menschen positionierten sich sofort klar auf der einen oder anderen Seite. Es gab Demos und Veranstaltungen pro Israel und pro Palästina, es gab Anschläge auf jüdische Einrichtungen und Übergriffe auf Menschen aus dem arabischen Raum. In Wien stellte Isabel Frey, 29 Jahre alt, Ethnomusikologin, jiddische Sängerin und säkulare Jüdin, fest: selbst in ihrer eigenen Community war es nicht mehr möglich, solidarisch zu sein mit PalästinenserInnen. Und sie fragte sich: „Wo kann ich trauern um alle Opfer dieses Konfliktes?“ Dies war die Geburtsstunde von Standing Together Vienna.
Zusammen mit One-State-Embassy, einem KünstlerInnenkollektiv mit dem Ziel einer israelisch-palästinensischen Verständigung, gründete die junge Sängerin die Initiative Standing Together Vienna – inspiriert vom israelischen Original „Standing Together“. Die Gruppe in Wien besteht mittlerweile aus ca. 20 aktiven Mitgliedern und noch vielen weiteren regelmäßigen TeilnehmerInnen, die meisten davon kamen über die sozialen Medien hinzu. Sie verstehen sich als jüdisch-arabische Friedensinitiative, die für einen gerechten, nachhaltigen Frieden in Israel-Palästina einsteht. Dazu organisieren sie Mahnwachen und halten Diskussionen und Vorträge ab. Die erste Mahnwache fand schon am 23. Oktober 2023 statt und hatte bereits 400 TeilnehmerInnen. Die Mitglieder der Organisation sind großteils jüdisch, palästinensisch oder arabisch, aber zum Teil auch ÖsterrecherInnen ohne biographischen Bezug. Sie stammen aus Österreich, Israel oder aus arabischen Ländern und sind vereint in dem Wunsch nach einem Raum zum Trauern, zum Gedenken und zum Diskutieren. „Es werden einem ja auch wirklich die Diskussionsräume weggenommen!“, meint Isabel Frey. „Dabei wäre das wichtig! Sich auch zuzuhören, sich gegenseitig zu verstehen!“
Wir versuchen vorzuleben, was wir propagieren: Dass ein Miteinander möglich ist.
Isabel ist die Mitgründerin und eine der Hauptorganisatorinnen der Initiative, welche Teil des Vereins der One State Embassy ist. Sie kümmert sich auch um die Öffentlichkeitsarbeit und die sozialen Medien. Genau wie alle anderen macht sie das in ihrer Freizeit. Die Initiative lebt ausschließlich von Spenden. Die wichtigsten Forderungen des Vereins sind ein sofortiger Waffenstillstand in Gaza, ein Abkommen zur Befreiung der Geiseln und ein Ende der Belagerung und Abriegelung des Gazastreifens. „Aber damit hört es nicht auf. Es geht nicht um den Krieg. Frieden gab es schon vor dem 7. Oktober nicht!“ Für Standing Together ist die Besatzung der palästinensischen Gebiete die Wurzel allen Übels, denn die Besatzung behindere jegliche Art von Friedensgesprächen.
„Zum Frieden gehören nun mal zwei Völker und die Bereitschaft zur Koexistenz!“, meint die 29-Jährige. „Wir versuchen vorzuleben, was wir propagieren: Dass ein Miteinander möglich ist.“
Deshalb drängt der Verein auch auf politischen Druck von außen: Eine Petition an die österreichische Bundesregierung, sich für einen Waffenstillstand einzusetzen, erzielte über 5000 Unterschriften. Für die Zukunft sei eine Kampagne geplant, den Staat Palästina von Österreich anerkennen zu lassen. Andere EU-Staaten tun das bereits. Nur so könne man dem Radikalismus der Hamas den Wind aus den Segeln nehmen. Für Standing Together sei ganz klar, dass die Hamas aufs Schärfste zu verurteilen ist. Das rechtfertige jedoch nicht das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza. Diese Positionierung zwischen den Parteien bringe auch starke Kritik mit sich – von beiden Seiten. „Ich kriege das ab aus der jüdischen Gemeinde, aber die PalästinenserInnen kriegen das ab aus ihren Communities.“, erzählt Isabel. „Das bedeutet wohl, dass wir etwas richtig machen.“ Isabel und ihre KollegInnen wollen jedenfalls dranbleiben – auch, wenn das Thema nicht mehr präsent ist in den Medien und den Köpfen der Menschen.
Das Interview mit Isabel Frey führte Sophie Kofer. Text: Florian Huber.
Materialien und Workshops zu den Young Peacebuilders
Informationen über das Projekt „Standing Together Vienna“ findest du hier: https://www.onestateembassy.com/standingtogethervienna
Hier kannst du das Ausstellungs-Plakat von Isabel Frey in A3 als PDF herunterladen (z.B. für die Schule oder Klasse).
Du möchtest wissen wie du mit „Young Peacebuilders“ arbeiten kannst oder einen Workshop buchen? Wende dich an das Friedensbüro Salzburg: https://www.friedensbuero.at/workshops/
Unser Workshop-Angebot, das aus drei Teilen besteht, beschäftigt sich mit den Themen Frieden, Friedensarbeit, Möglichkeiten des Handelns und verschiedenen Ausdrucksformen und kann flexibel gebucht werden.
Friedensbüro Salzburg
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