Die neuen Kriege
Vom Bild des Krieges, das vor allem durch die früheren großen zwischenstaatlichen Kriege geprägt war, müssen wir uns größtenteils verabschieden. Vor allem der Friedensforscher Herfried Münkler beschäftigt sich mit den Kennzeichen der sog. „neuen Kriege“, die sich seiner Meinung nach von den „alten Kriegen“ grundlegend unterscheiden.
Ein wesentliches Merkmal der „neuen Kriege“ ist die Entstaatlichung. Kriege sind heutzutage vor allem Begleiterscheinungen des Staatszerfalls. Früher dienten sie der Ausweitung und der Verteidigung des Staatsterritoriums. In vielen Konfliktgebieten verliert der Staat seine Funktion der Daseinsvorsorge und Sicherung seiner Bürger.
In den neuen Kriegen wird die Gewalt auf bewaffnete Banden und bewaffnete Gruppen monopolisiert. „Warlords“, welche die „neuen Kriege“ führen, sind ein Produkt der Privatisierung.
Waren früher Staaten verpflichtet, gewisse internationale Konventionen bei der Kriegsführung einzuhalten, so gibt es in den „neuen Kriegen“ keine diesbezüglichen Grenzen zur Gewalteindämmung. Diese Autonomisierung ermöglicht eine vollkommene Willkür der Gewalt.
Das vierte Kennzeichen der „neuen Kriege“ stellt für Herfried Münkler die Asymmetrierung dar. Nicht Soldaten und Armeen kämpfen gegeneinander. Vielmehr wird die Zivilbevölkerung zunehmend zum Zielobjekt, aber auch zum handelnden Subjekt. Asymmetrierung verweist ebenfalls auf die Auseinandersetzung zwischen militärischen Einheiten und terroristischen Gruppierungen bzw. Guerilla-Kämpfern. Um sich einer gewissen Sicherheit zu ermächtigen und um sich vor Raub, Plünderung und Vergewaltigung zu bewahren, greifen Zivilbürger zu „benutzungsfreundlichen“ Waffen – und Kindersoldaten zu automatischen Gewehren.
Während das Ziel vergangener Kriege die Zerstörung bzw. die Abschwächung des Gegners durch zu hohe Kosten in der Kriegsführung war, kehrt sich diese ökonomische Sinnlosigkeit in den „neuen Kriegen“ gerade ins Gegenteil um (Kommerzialisierung): Kriegsakteure verschaffen sich mit zunehmender Dauer des Krieges lukrative Möglichkeiten, einen gewissen Status im Kriegsgebiet zu erreichen. Sie erhoffen sich eine hohe Kriegsbeute durch Ressourcen wie z. B. Gold oder Diamanten, sowie durch Einnahmen von Schutzgeldern. Dadurch steuern sie bewusst friedensstiftenden Aktivitäten entgegen, um in dieser ökonomischen Sicherheit im Krieg zu überleben – anstatt einem unsicheren Frieden entgegenzublicken.
Kritik
Die Begrifflichkeit der „neuen Kriege“ ist nicht unumstritten. Manche KommentatorInnen weisen darauf hin, dass es die von Münkler beschriebenen Aspekte auch in früheren Kriegen gegeben hat.
Links und Literaturtipps
Buchkritik (Stand 10.01.2018)
Die neuen Kriege – Zwischen Gewaltakteuren und humanitärer Hilfe (Stand 10.01.2018)
HSFK (Stand 10.01.2018)
H. Münkler (2003). Die neuen Kriege. Hamburg: Rowohlt.
Joachim Becker, Gerald Hödl, Peter Steyrer (2005) Krieg an den Rändern. Von Sarajewo bis Kuito. Wien: Promedia Verlag.
Welthaus Bielefeld (2006): Entwicklungshindernis Gewalt. Ein Arbeitsbuch über neue Kriege und erzwungene Armut. Wuppertal: Peter Hammer Verlag.