Bewaffneter Konflikt laut AKUF
Als bewaffnete Konflikte werden gewaltsame Auseinandersetzungen bezeichnet, bei denen die Kriterien der Kriegsdefinition nicht in vollem Umfang erfüllt sind.
In der Regel handelt es sich dabei um Fälle, in denen eine hinreichende Kontinuität der Kampfhandlungen nicht mehr oder auch noch nicht gegeben ist (AKUF).
Am Beispiel: Georgien – Südossetien
Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen georgischen Truppen und südossetischen Rebellen der de facto unabhängigen Region Südossetien wurden von der AKUF im Jahr 2007 (das letzte Berichtsjahr) als bewaffneter Konflikt eingestuft.
Der Konflikt zwischen Georgien und Südossetien reicht weit in die Geschichte zurück und beruht größtenteils auf ethnoterritorialen Differenzen. Im 20. Jahrhundert verschärften sich die Spannungen – besonders kurz vor dem Zusammenbruch der UdSSR. Während in Georgien die Rufe nach staatlicher Unabhängigkeit immer lauter wurden, wurde in Südossetien die Wiedervereinigung mit Nordossetien – zu Sowjetzeiten eine autonome Sowjetrepublik – angestrebt. Als 1991 die Unabhängigkeit Südossetiens ausgerufen und die Forderung bekräftigt wurde, der Russischen Föderation beizutreten, kam es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen.
Erst unter Präsident Schewardnadse kam es zu multilateralen Verhandlungen. Ein 1992 zwischen dem russischen Präsidenten Jelzin, Schewardnadse sowie Vertretern von Nord- und Südossetien abgeschlossenes Abkommen sah die Schaffung einer trinationalen Friedenstruppe zur Überwachung des Waffenstillstandes vor. Diese Truppe wurde jedoch von Beginn an vom russischen Kontingent dominiert, das sowohl zahlenmäßig als auch in Hinblick auf Ausrüstung und Ausbildung den übrigen Truppenkontingenten weit überlegen war. Mit den größtenteils durch Moskau finanzierten ossetischen Truppen dominierten die proossetischen bzw. prorussischen Kräfte deutlich.
Mit der Machtübernahme Saakaschwilis im November 2003 änderte sich die politische Haltung Georgiens. Die Regierung setzte sich zum Ziel, die nach Unabhängigkeit strebenden Regionen Abchasien und Südossetien wieder unter die Kontrolle Georgiens zu bringen. In der Folge erreichte der Konflikt einen weiteren Höhepunkt – in der Region kam es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen. So drohte Moskau, u. a. in Südossetien zu intervenieren, um die südossetische Bevölkerung, die mehrheitlich russische Pässe besitzt, zu schützen.
Im Jahr 2005 kam es immer wieder zu Anschlägen, Entführungen und blutigen Auseinandersetzungen, in die sowohl georgischen Truppen und ossetische Widerstandskämpfer als auch ossetische und georgische Zivilisten verwickelt waren. Mit der Machtübernahme durch Saakaschwili kam es zu einer verstärkten Militarisierung Georgiens, die neben einem erstarkenden Nationalismus zur anhaltend schlechten Lage in der Krisenregion beitrug. Eine friedliche Lösung erschien im Berichtjahr 2005 mittelfristig nicht absehbar.
Seit Herbst 2006 hat sich die Situation in Südossetien abermals zugespitzt. Bei den Präsidentschaftswahlen am 12. November in Südossetien wurde Eduard Kokoity wiedergewählt. Zeitgleich bestätigten offiziell 99 Prozent der südossetischen Bevölkerung in einem Referendum ihren Wunsch nach Wiedervereinigung mit Nordossetien. Parallel fand jedoch eine alternative Präsidentschaftswahl in den georgischen Dörfern Südossetiens statt, in denen der ehemalige südossetische Premierminister Dimitri Sanakoew zum Präsidenten gekürt wurde. Außerdem sprach sich die georgische Bevölkerung in einem Referendum für die Vereinigung mit Georgien aus. Seitdem gibt es de facto zwei Regierungen in Südossetien. Im März 2007 stellte Georgien den 1990 abgeschafften Verwaltungsbezirk Südossetien wieder her. Sanakoew ist damit offizieller Vertreter der georgischen Regierung in Südossetien, und ein wesentlicher Teil südossetischen Territoriums ist seither unter georgischer Kontrolle.
Angesichts der fortdauernden prekären Sicherheitslage bleibt der Verhandlungsprozess zwischen Tiflis und Zchinwali weiter blockiert. Am 4. Juni wandten sich die Präsidenten Abchasiens und Südossetiens mit einer gemeinsamen Erklärung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen und forderten mit Bezug auf die Kosovo-Statusdebatte ihr Recht auf Unabhängigkeit ein. Im Juli 2007 richtete Tiflis eine staatliche Kommission zur Bestimmung des autonomen Status Südossetiens innerhalb Georgiens ein. Nach Ansicht Kokoitys diente diese jedoch ausschließlich zur Unterstützung Dimitri Sanakoews. Dieser organisierte im August eine öffentliche Kampagne mit dem bezeichnenden Namen „Auf Wiedersehen Kokoity“. Am 6. August erklärte die südossetische Regierung in Zchinwali, die Verhandlungen im Rahmen der Gemeinsamen Kontrollkommission offiziell aus Sicherheitsgründen vorläufig auszusetzen. Die georgische Regierung bezeichnete dies als Misserfolg der russischen Vermittler. Die Positionen sind festgefahren, eine Deeskalation, geschweige eine Lösung des Konflikts noch lange nicht in Sicht. (red)
Quellen, Links und Lesetipps
Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF): Kriegsdefinitionen
Fischer, Sabine (2016): Nicht eingefroren! Die ungelösten Konflikte um Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Berg-Karabach im Lichte der Krise um die Ukraine. SWP-Studie, Berlin.
Halbach, Uwe (2010): Ungelöste Regionalkonflikte im Südkaukasus. SWP-Studie, Berlin.
Marietta S. König (2008): Der Konflikt um Südossetien: Ursachen, Akteure, Perspektiven. In: Udo Steinbach, Marie-Carin von Gumppenberg (2008): Krisenregion Kaukasus, München.
Roy Reeve (2006): The OSCE Mission to Georgia and the Georgian-Ossetian Conflict: An Overview of Activities. In: Helsinki Monitor, Jg. 17, Nr.1, S. 57-68.
Bildquelle: Wikipedia