Notwehr und Nothilfe

Notwehr bezeichnet die strafrechtliche und zivilrechtliche Unbedenklichkeit von schädigenden Handlungen, wenn sie zur Abwehr eines Angriffs erfolgen und gegen den Angreifer gerichtet sind. Unter Nothilfe versteht man das entsprechende Pendant in Bezug auf die Hilfestellung gegenüber einer von unmittelbarer Gewalt bedrohten Person.

Im Kriegsfall treffen Notwehr- und Nothilfesituationen aufgrund häufigerer und intensiverer Gewaltanwendung natürlich weit zahlreicher ein als in Friedenszeiten. Die strafrechtliche Situation ist jedoch – insbesondere im Falle von ZivilistInnen – dieselbe.

Komplexer stellt sich die Frage der Notwehr bzw. Nothilfe bei SoldatInnen, vor allem wenn sie sich auf den sogenannten „Befehlsnotstand“ beziehen. In der Debatte um das sogenannte „Soldatenurteil“ wurde diese gesellschaftlich sehr tabuisierte Fragestellung breit diskutiert.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion am 31. August 1984 in der Frankfurter Friedrich­-Ebert-Schule äußerte Dr. Peter Augst den Satz: „Jeder Soldat ist ein potenzi­eller Mörder“. Er lehnte sich dabei an das Zitat Kurt Tucholskys an, der 1932 in der „Weltbühne“ den Ausspruch „Soldaten sind Mörder“ getan hatte. Das Bundesverteidigungsministerium stellte daraufhin Straf­antrag gegen Augst. Nach einer heftigen öffentlichen Debatte wurde Peter Augst letztlich aber freigesprochen. Über die Beantwortung der Frage besteht trotzdem kein gesellschaftlicher Konsens.

Strafrechtlich wird die Aussage „Soldaten sind Mörder“ aufgrund des Soldaten- und Grundgesetzes als falsch gewertet, da SoldatInnen im Kriegseinsatz in dem Glauben töten, es sei zur Verteidigung des Landes. Die gesetzliche Definition von Mord trifft aus mehreren Gründen nicht zu.

Notwehr nicht kollektiv

In einem Verteidigungskrieg werden SoldatInnen in einer Notlage die Tötung gegnerischer KombattantInnen durchaus als Notwehr rechtfertigen wollen, dies widerspricht jedoch der allgemeinen Definition von Notwehr. Die „kollektive Notwehr“ wird im Allgemeinen nicht anerkannt.

Abgesehen davon dürften in vielen Fällen bereits die strafrechtlichen Mordmerkmale fehlen, sodass rechtlich meist nur Totschlag in Frage kommt. Es wurde allerdings noch keine solche Anklage durchgeführt. Im Falle eines Angriffskrieges könnten die Kampfhandlungen selbst eventuell völkerrechtlich als Morde gewertet werden. Dies ist bislang aber ohne Präzedenzfall. Einigkeit besteht nur in Bezug auf Kriegsverbrechen.

Befehlsnotstand nicht automatisch Notwehr

Die Gleichsetzung einer gesamten Armee mit ihren handelnden Teilen (also z. B. die politische oder militärische Führung) ist insofern fragwürdig, als im Einzelfall zu entscheiden ist, ob die Verantwortung dafür bei dem/der einzelnen SoldatIn oder der militärisch-politischen Führung liegt. Ein/e SoldatIn der Bundeswehr (auch des Österreichischen Bundesheers, Anm. d. Red) ist verpflichtet, die Ausführung eines Befehls, der eine Straftat zur Folge hat, zu verweigern. Er/Sie könnte sich somit nicht auf Befehlsnotstand berufen und wäre persönlich verantwortlich.“ (red)

Quellen, Lesetipps und Links:

Christoph Weller (1990): Sind Soldaten Mörder? Analysen und Dokumente zum „Soldatenurteil“ . Tübingen: IPPNW, Verein für Friedenspädagogik u.a.

Michael Hepp und Viktor Otto (1996): Soldaten sind Mörder. Dokumentation einer Debatte. Berlin: Ch. Links Verla.

Wikipedia: Soldaten sind Mörder. . URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Soldaten_sind_M%C3%B6rder&oldid=73846712 (abgerufen am 10.1.2018)

Kurt Tucholsky auf Wikisource (abgerufen am 10.1.2018)

Download der Broschüre „Soldaten sind Mörder“
(abgerufen am 10.1.2018)

Informationsstelle Militarisierung (abgerufen am 10.1.2018)

Institut für Friedenspädagogik Tübingen (abgerufen am 10.1.2018)

Bildquelle:

Pixabay.com (abgerufen am 15.5.2018)