Zivil-militärische Zusammenarbeit

Unter zivil-militärischer Zusammenarbeit (kurz CIMIC – Civil-Military Co-Operation) versteht man das Zusammenwirken von staatlichen und/oder nichtstaatlichen zivilen Organisationen mit der militärischen Verteidigung in den Bereichen Landesverteidigung, Gefahrenabwehr oder bei militärischen Auslandseinsätzen.

Darunter fallen Planungen, Vereinbarungen, Maßnahmen, Kräfte und Mittel, welche die Beziehung zwischen militärischen Institutionen und zivilen Organisationen und Behörden sowie der Zivilbevölkerung unterstützung, erleichtern oder fördern sollen. Dazu gehören unter anderem:
Vorsorge- und Versorgungsmaßnahmen für die Zivilbevölkerung und die Streitkräfte im Spannungs- oder Verteidigungsfall, die Beteiligung der Streitkräfte am Katastrophenschutz, insbesondere durch Unterstützung der zivilen Hilfsorganisationen bei Großschadensereignissen und Gefahrenlagen, die Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften und zivilen Behörden in den Bereichen Gesundheitswesen, Umweltschutz, Raumordnung, Infrastruktur und Kampfmittelbeseitigung, die Zusammenarbeit zwischen Militär und zivilen Kräften im Rahmen internationaler Militäreinsätze, beispielsweise im Rahmen der Provincial Reconstruction Teams in Afghanistan und die Durchführung ziviler Projekte durch ausländische Truppen im Kontext internationaler Militäreinsätze.

Vor allem in Bezug auf Auslandseinsätze wird von verschiedenen NGOs und Hilfsorganisationen am Konzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit Kritik geübt. Die Hauptargumente sind folgende:

Die zivilen Konfliktbearbeiter werden unter den Bedingungen von CIMIC zwangsläufig selbst zur Konfliktpartei und damit zum Ziel bewaffneter Gruppen – mit allen Gefahren, die daraus für sie selbst entstehen.
Angebunden an oder eingebunden in das Militär wird die zivile Konfliktbearbeitung zwangsläufig zu dessen Partei und verliert damit die Prämisse ihrer Existenz, die unparteiische Konfliktbearbeitung und Hilfe für die Betroffenen – egal welcher Kriegspartei sie zuneigen. Das im Bereich der zivilen Konfliktbearbeitung tätige Personal verliert seine Glaubwürdigkeit in den Augen der Bevölkerung und kann seine ureigenen Zielvorstellungen nicht mehr verfolgen.
Die Funktionalisierung der zivilen Konfliktbearbeitung für militärische Interventionen verfälscht Anspruch und Handlungsmöglichkeiten der zivile Konfliktbearbeitung: Sie wird zunehmend für die post-militärische Konfliktbearbeitung eingesetzt, gewissermaßen als Reparaturbetrieb von militärisch bedingten „Kollateralschäden“.
Die militärische Dominanz in der „Konfliktbearbeitung“ wird zugleich dazu führen, dass zivile Mittel zugunsten von militärischen Aktionen umgeschichtet werden.
Die beabsichtigte und praktizierte Mobilisierung privater Spenden für CIMIC wirkt sich negativ aus auf das Spendenaufkommen konsequent zivil arbeitender NGOs bzw. zwingt diese in die Kooperationsstrukturen der CMIC.
Völlig unbeachtet ist in der bisherigen Debatte der rechtliche Status des Personals der zivilen Konfliktbearbeitung im Rahmen von CIMIC: Ohne Zweifel sind die Vertreter der in diesem Bereich tätigen NGOs keine Kombattanten, auch tragen sie keine Uniformen. Daher gelten für sie die kriegsvölkerrechtlichen Regelungen und die einschlägigen Genfer Konventionen nicht. Jedoch: Ihre organische Verbindung zum Militär, die Funktionalisierung ihrer Aufgaben (auch) für militärische Zwecke beinhalten die Gefahr, dass sie von der gegnerischen Seite sehr wohl als Teil militärischer Operationen wahrgenommen und als solche definiert werden.

Beispiel: Deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan

Afghanistan ist ein „Schwerpunkt-Partnerland“ der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Für Afghanistan wurden vier Schwerpunkte festgelegt:

1. Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
2. Wasser (städtische Wasserversorgung)
3. Engergie (insbesondere erneuerbare Energien
4. Grundbildung

Für die Laufzeit des so genannten Afghanistan Compact von 2006 bis 2010 sowie den deutschen Anteilen an der so genannten „Wiederaufbauhilfe“ von EU, Weltbank und Asiatischer Entwicklungsbank wurden insgesamt – für Deutschland – eine Milliarde US-Dollar veranschlagt. Laut Jahresbericht der VENRO (Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V.) für die Situation in Afghanistan für das Jahr 2009 konnten jedoch die Provincial Reconstruction Teams (PRTs) nach wie vor nicht für eine ausreichende Stabilität und Sicherheit für die afghanische Bevölkerung sorgen. Laut einer Studie der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ hat sich die Lage in Afghanistan zugespitzt: „In der Bevölkerung macht sich Enttäuschung über das Ausbleiben einer – nicht immer in einem realistischen Ausmaß – erhofften Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse breit und bei der Drogenbekämpfung bleiben Erfolge aus.“ Auch die Gewalt gegen MitarbeiterInnen von NGOs hat laut VENRO zugenommen. Hinzu kommt die Verwischung der Grenzen von humanitärer Hilfe und militärischem Engagement.

(kq)

Quellen:

Walter Feichtinger/Markus Gauster (Hg.) (2008): Zivil-Militärische Zusammenarbeit am Beispiel Afghanistan. In: Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie, Nr. 3, S. 1137-138.

Werner Ruf (o.J.): Zivil-militärische Zusammenarbeit (CIMIC) aus friedenspolitischer Sicht. S. 10-11. www.werner-ruf.net/pdf/CIMIC_AFK_06.pdf (abgerufen am 15.2.2018)

VENRO (Hg.)(2009): Fünf Jahre deutsche PRTs in Afghanistan. Eine Zwischenbilanz aus Sicht der deutschen Hilfsorganisationen.

VENRO-Positionspapier Nr. 1, S. 5-6. www.venro.org/fileadmin/Publikationen/Afghanistan-Positionspapier_PRT.pdf (abgerufen am 15.2.2018)

Bildquelle:

flickr.com (15.5.2018)