Erinnerungskultur und Versöhnung
Am Beispiel:
Der Begriff „Erinnerungskultur“ bezeichnet den Versuch, Teile der Vergangenheit im Bewusstsein zu halten und gezielt zu vergegenwärtigen. Die Bemühungen die Vergangenheit nicht zu verdrängen oder zu vergessen, sondern aufzuarbeiten, wird auch als Vergangenheitsaufarbeitung bezeichnet. Die Absicht ist, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Beispiele für private Erinnerungskultur sind Familienalben oder Ahnenforschung.
Erinnerung an die Vergangenheit – Warum?
Die öffentliche Erinnerungskultur bezieht sich in Österreich und Deutschland vorwiegend auf die Zeit von Nationalsozialismus und Holocaust. Auch in anderen Ländern, in denen Krieg herrschte, ist die Frage des Umgangs mit der Vergangenheit ein wichtiges Thema. In weiten Kreisen herrscht Einigkeit darüber, dass es keine Kollektivschuld nachfolgender Generationen gibt. Aber es gibt so etwas wie eine gemeinsame Verantwortung für die Vergangenheit über die Generationen hinweg. Die Schicksale vieler Tausender Ermordeter und gequälter Menschen zeigen uns, warum es wichtig ist, die Vergangenheit nicht zu vergessen oder zu verdrängen.
Wie wird Versöhnung möglich?
Aufdecken der Wahrheit: wo immer Unrecht geschieht, sieht jede Seite meist nur die eigene Position, ihre eigenen, in erstarrten Vorurteilen gefesselten Emotionen. Ein erster Schritt liegt darin, das eigene Leid anzusprechen und auf die Erfahrung der Gegenseite zu hören. Empathisches Zuhören (mit Herz und Verstand) eröffnet die Möglichkeit zur Einsicht in die Leidenserfahrung des „Anderen“, zum Erkennen seiner „Wahrheit“. Es führt zum konsequenten Hinterfragen der eigenen Position, kann den Abbau von Vorurteilen bewirken und zu einem gemeinsamen Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit führen.
Einsatz für Gerechtigkeit: Oft ist „Gutmachung“ nicht möglich: Tote können nicht ins Leben gerufen, Verstümmelte oder psychisch Zerstörte nicht geheilt werden. Auf dem Weg zur Versöhung ist aber der Einsatz für Strukturen größerer Gerechtigkeit gefordert z.B. die Achtung der Grundrechte der Betroffenen, Überwindung von Diskriminierung, Dienste der Heilung für Traumatisierte.
Vergebung:Hier geht es um eine wahrhafte Umkehr von Haltungen. Es handelt nicht darum, dass der „Andere“ sich nach den eigenen Vorstellungen ändert, sondern um ein frei dargebotenes Geschenk. Der „Andere“ wird nicht an das Unrecht gefesselt, statt dessen wird durch Vertrauen, Achtung, Liebe, die ich anbiete, ein Tor zu einer neuen Haltung angeboten. Der Weg des gegenseitigen Annehmens ist lang und die Erfahrung zeigt, dass solch ein Angebot oft zurückgewiesen wird.
Versöhnung: Wer hat nicht das Glück gelungener Versöhnung erlebt in Partnerschaften, zwischen Kindern und Eltern, FreundInnen, zwischen Menschen im Zwist: Hutu und Tutsi in Burundi, Opfern des Holocaust und Nachkommen ehemaliger Nationalsozialisten. Durch Versöhnung werden Potenziale an Kreativität frei, neues Leben bricht auf und lässt Verschiedenheit als Bereicherung für gemeinsames Wachstum erkennen. Viele Beispiele zeigen, dass es lohnt, den Weg der Versöhnung auf sich zu nehmen. (red)
Links und Lesetipps:
Hildegard Gross-Mayr (2004): Wie wird Versöhnung möglich? In: FriedensForum. Zeitschrift der Friedensbewegung, Jg 17, Nr. 1, S. 31
Uli Jäger (1996): Soft Power. Wege ziviler Konfltikbearbeitung. Ein Lern- und Arbeitsbuch für die Bildungsarbeit und den Unterricht. Tübingen: Verein für Friedenspädagogik Tübingen e. V., Tübingen.
Gert Sommer/Albert Fuchs (2004): Krieg und Frieden. Handbuch der Konflikt- und Friedenspsychologie. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz-Verlag.
Österreichischer Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit: Freiwillige Leistungen der RepublikÖsterreich an ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter im NS-Regime auf dem Gebiet des heutigen Österreich: www.versoehnungsfonds.at (abgerufen am 15.5.2018)
DVD: Filme für eine Welt (2004): Respekt statt Rassismus. Schweiz: Bildungssteller der AG Hilfswerke. Zu bestellen bei www.baobab.at (abgerufen am 15.5.2018)
Quellen:
Erinnern.at (abgerufen am 15.5.2018)
Österreichischer Versöhnungsfonds (Hg.) (2005). Zwangsarbeit in Österreich. 1938-1945. Wien: Braintrust
Peace Counts
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