Environmental Peacebuilding
Was haben Umwelt, Klima und Krieg miteinander zu tun? Und wie kann man durch den Umweltschutz und Kooperationen für Natur und Ressourcen dazu beitragen, dass unsere Welt friedvoller wird? Die Idee des „Environmental Peacebuildung“ (frei ins Deutsche übersetzt: Ökologische Friedensförderung) beschäftigt sich mit diesen Fragen.
Was ist Environmental Peacebuilding?
Environmental Peacebuilding ist ein Konzept, das Klima, Umwelt, Ressourcen und Ökologie in Verbindung mit Frieden bringt. Dabei wird einerseits der Klimawandel, aber auch die Verteilung von knappen Ressourcen wie Land und Wasser als Konfliktursachen beleuchtet. Genauso wird umgekehrt betrachtet, was Krieg mit der Umwelt macht.
„Peacebuilding“ allgemein ist ein Prozess, bei dem Konflikte gewaltlos gelöst werden, indem zwischen den Konfliktparteien vermittelt wird. Environmental Peacebuilding erweitert diese Idee ganz konkret um die Themen Umwelt, Ressourcen und Nachhaltigkeit, um dauerhaften Frieden zu schaffen.
Oft sind gerade Länder, die schon instabil sind, weil es Korruption oder nur schwache Institutionen gibt, ganz besonders vom Klimawandel betroffen. Diese beiden Effekte verstärken einander und können die Situation so zuspitzen, dass sich sogar ein bewaffneter Konflikt entwickeln kann. In Zeiten
des Klimawandels betrifft das aber längst nicht mehr nur Länder des Globalen Südens. Environmental Peacebuilding beschäftigt sich mit der Prävention, Entschärfung und Lösung eines Konfliktes, aber auch, wie sich ein Land nach einem Konflikt erholen und langfristig Frieden herstellen kann.
Environmental Peacebuilding: präventiv und nachbearbeitend
Dabei kann man sich dieses Thema aus zwei Blickwinkeln ansehen. Auf der einen Seite gibt es die präventive Perspektive: Kooperationen im Bereich Umwelt und Ressourcen sollen Konflikte etwa durch technische Lösungen zu verhindern. Auf der anderen Seite kann man sich ansehen, wie ein Krieg eine Region destabilisiert und Ressourcen stark verknappt hatund wie man in dieser Situation ein Wiederaufflammen von Konflikten verhindern kann. In beiden Perspektiven spielt die Kommunikation und Zusammenarbeit verschiedener Akteure eine wichtige Rolle. An diesen Prozessen können sich Staaten beteiligen, aber auch der regionalen Ebene kommt eine große Bedeutung zu: Indem geteilte Problemlagen im Bereich Umwelt und Klima definiert werden, kann zwischen verschiedenen Gemeinschaften eine kollektive Identität und gegenseitiges Vertrauen geschaffen werden, um diese und andere Probleme gemeinsam zu lösen. Environmental Peacebuilding kann nachhaltig Frieden stiften, indem nachhaltige Beziehungen, Kanäle für Dialog und die Vision einer gemeinsamen Zukunft geschaffen werden.
Aber wie genau sieht das in der Praxis aus?
Praktisch kann Environmental Peacebuilding ganz unterschiedliche Formen annehmen. Dabei sieht man sich erst einmal die Ursachen an, die zu einem Konflikt führen können oder schon geführt haben. Das ist zum Beispiel die Ressource Land. Weil die Weltbevölkerung wächst, wird durch den steigenden Bedarf an Nahrung fruchtbarer Boden immer knapper. Rivalisierende Bevölkerungsgruppen könnten in Konflikt miteinander treten, um ihr eigenes Überleben zu sichern. In Mali und Niger wurden Kommissionen eingerichtet, die sich für eine gerechte Verteilung der Ackerländer bemühen und zwischen den Gruppen vermitteln. Auch das im Jahr 2024 beschlossene EU Renaturierungsgesetz kann als ein Environmental Peacebuilding Projekt gewertet werden: Ein nachhaltiger und respektvoller Umgang mit der Natur soll wichtige Lebensgrundlagen für die Menschheit erhalten: sauberes Wasser, Ernährungssicherheit, die Begrenzung der Erderwärmung und besonders auch die Eindämmung von Naturkatastrophen, die oft ein Grund sind, warum Menschen ihre Heimat verlassen und sich andernorts niederlassen müssen.
Beispiel: Wasser
Ein anderes Beispiel ist die Ressource Wasser. Wasser wird zunehmend ein knappes Gut. Oft ist es so, dass ein Gewässer (zum Beispiel Flüsse) über mehrere Länder verläuft. Hier gibt es viele Beispiele, bei denen sich die betroffenen Länder darum bemühen, ein Abkommen miteinander zu treffen. Dadurch soll diese Ressource gerecht und nachhaltig verteilt und genutzt werden. Ein ähnliches Abkommen haben zum Beispiel Israel und Palästina gemeinsam mit Jordanien, Syrien und dem Libanon getroffen. Das Projekt „Good Water Neighbors“ wurde 2001 von der Umweltorganisation EcoPeace Middle East initiiert.
Solche Abkommen können längerfristig dazu führen, eine gewaltvolle Auseinandersetzung um die Nutzung der Gewässer zu verhindern. Forscher:innen schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich einmal einen Krieg „nur“ um Wasser geben wird, eher gering ein. Vielmehr wird die Bereitschaft vieler Länder betonter, gemeinsame Abkommen zu treffen. Viele dieser Abkommen haben auch schon andere kriegerische Auseinandersetzungen überstanden. So haben zum Beispiel auch Indien und Pakistan ein Abkommen, das es sogar schon seit 1960 gibt und drei Kriege zwischen den beiden Ländern überdauert hat. Trotzdem bleibt und wird Wasser immer knapper, gerade im Zusammenspiel von Klimaerwärmung und einem anhaltendem Bevölkerungswachstum: Heute leben 2,5 Milliarden Menschen in Regionen mit Wasserknappheit, bis 2050 sollen es sogar 5 Milliarden Betroffene sein.
Wo sind die Grenzen von Environmental Peacebuilding?
Am Beispiel des „Good Water Neighbors“ Projekts und dem Abkommen zwischen Indien und Pakistan erkennt man aber auch schon einen großen Kritikpunkt an dem Konzept des Environmental Peacebuilding. Die Projekte allein konnten keinen Konflikt verhindern, weil andere kulturelle, religiöse oder politische Gründe zu Kriegen geführt haben. Das betrifft gerade Projekte, die eben nur an der Oberfläche eines Konfliktes kratzen, und es nicht bewerkstelligen, nachhaltiges Vertrauen zwischen zwei Konfliktparteien zu schaffen.
Über die Jahrzehnte wurden schon einige Initiativen geschaffen, die den Umweltschutz zur Wahrung des Friedens betreiben. Trotzdem ist die Finanzierung dieser Projekte durch internationale Organisationen (UN, Weltbank, EU) auf bestimmte Regionen konzentriert und benachteiligt dadurch besonders vom Klimawandel betroffene Staaten. Man kann daher auch kritisieren, dass die Gelder sehr ungleich verteilt sind. Vielmehr sollten besonders instabile und vulnerable Regionen unterstützt werden, um Environmental Peacebuilding zu betreiben. Trotz dieser Schwachstellen hat dieser Ansatz ein großes Potential, weil damit zumindest einige Risikofaktoren abgemildert werden können.
Quellen
Environmental peacebuilding – Wikipedia, Zugriff am 7.6.2024
Climate change and conflict must be tackled together, argues a foundation head, Zugriff am 7.6.2024
GOOD WATER NEIGHBORS:, Zugriff am 9.6.2024
Environmental Peacebuilding – Beitrag für einen nachhaltigen Frieden am Beispiel einer Wasserkooperation in der Westbank, Zugriff am 9.6.2024
The Role of Water Management in Peacemaking in the Middle East: case study of the Good Water Neighbors project, Zugriff am 13.07.2024
Wasserkonflikte in Afrika | Reichlich Ärger aufgestaut | 18.03.2024, Zugriff am 13.07.2024
Nature Restoration Law, Zugriff am 13.07.2024
Links und Lesetipps
Wasser und Sicherheit. Zwischen Konflikt und Kooperation, Zugriff am 13.07.2024
Wasserkonflikte in Afrika | Reichlich Ärger aufgestaut | 18.03.2024, Zugriff am 13.07.2024
International Freshwater Treaties Database | Program in Water Conflict Management and Transformation, Zugriff am 13.07.2024