Verbot von Sklaverei und Menschenhandel
Artikel 4: Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen Formen verboten.
Am Beispiel: Serbien und Montenegro/Kosovo
Der Kosovo hat sich zum Zentrum des internationalen Frauenhandels entwickelt. Auch die Präsenz Tausender UNO-PolizistInnen kann daran bislang wenig ändern. Den SchmugglerInnen ist es völlig egal, was sie machen, Hauptsache, es bringt Geld. Die Grenzwächter im Kosovo haben schon vieles gesehen: Waffen und Drogen sowieso, auch alkoholische Getränke, Zigaretten und gestohlene Autos. Dazu CDs und Lastwägen voll beladen mit tiefgekühlten Hühnern. Und Menschen: Kinder, die in der Stadt für ihre/n „BesitzerIn“ betteln gehen müssen. Mädchen und junge Frauen, bestimmt für die Prostitution.
Das Kosovo ist ein Durchgangsgebiet: Viele Menschen und Güter werden von hier aus für den Weitertransport in verschiedene EU-Länder und in arabische Staaten nach Albanien gebracht. Aber in zunehmendem Maße wird der Kosovo selbst zum Zielort. Mit dem Ende des Krieges im Jahre 1999 kamen Gelder für den Wiederaufbau ins Land und die VertreterInnen dieser Geberländer, um die Verteilung dieser Gelder zu koordinieren: Nato-Militärs, UNO-VerwalterInnen, internationale BauunternehmerInnen, Hilfsorganisationen. Zehntausende von „Internationalen“ mit fetten Löhnen, die sich Frauen und andere „Genussmittel“ problemlos leisten können.
„Ein kleiner lokaler Prostitutionsmarkt wurde in eine große Industrie umgewandelt“, hält Amnesty International in einem Bericht fest.
Geografie und politischer Status des Kosovo dienen den SchmugglerInnen. Solange noch nicht über die Zukunft des Kosovo entschieden ist, steht die serbische Provinz unter „Unmik“-Verwaltung (United Nations Missions in Kosovo) und wird von den Kfor-Truppen militärisch geschützt. Gesetze gegen den Schmuggel oder eine Visumpflicht gibt es nicht. Oberst Yves Kermorvant, Franzose und Sprecher der durch den Kosovo patrouillierenden Nato-Truppen, hebt seine Schultern und meint: „Wenn wir ein Auto über die Grenze fahren sehen mit einem Kosovaren am Steuer und auf dem Rücksitz zwei junge, schöne moldawische Mädchen, dann haben wir so unsere Vermutungen. Aber ohne Gesetzgebung und Visumpflicht stehen wir mit leeren Händen da. Wir fragen solche Mädchen jeweils: ‚Sitzt ihr freiwillig in diesem Auto?‘ Die Antwort lautet immer ‚Ja. Alors …'“
Die Geschichten, die die Frauen erzählen, ähneln sich. In der Hoffnung auf Arbeit im Westen lassen sie sich von MenschenhändlerInnen leicht überreden. Die Reise endet in einem Bordell, im Kosovo oder irgendwo sonst auf der Welt. Wenn sie Glück haben, ist es dort, wo sie landen, einigermaßen sauber und sie erhalten einen „Lohn“. Haben sie Pech – wie die meisten – dann besteht ihr Leben von jetzt an aus einer Hölle von Gefangenschaft, Vergewaltigung, Bedrohung und Krankheit. Obwohl die meisten Frauen die Risiken kennen, ist zu Hause zu bleiben für sie keine Alternative.
Meistens handelt es sich um alleinstehende Mütter aus armen Ländern. Moldawien, Bulgarien und die Ukraine sind die größten „Lieferanten“. Die durchschnittlichen Monatsgehälter liegen dort zwischen zehn und 30 Euro. Nur mit Hilfe der „extended family“, der Großfamilie, kann man überleben. Doch die meisten kommen aus zerbrochenen Familien und hatten eine Jugend voller Alkoholprobleme und Gewalt. Die eigene Familie ist oftmals selbst „der Feind“. Achtzig Prozent der Frauen, mit denen wir gesprochen haben, sind sogar über die Familie oder über „gute Bekannte“ in die Hände der MenschenhändlerInnen geraten. Tanten oder FreundInnen. Auch durch die Eltern: Mädchen werden manchmal mit Zuhältern verheiratet, um Familienschulden zu begleichen.
An der Wand der TPIU-Betriebsräume in Pristina hängt ein von der Feuchtigkeit gewelltes A4-Blatt. „Wanted“ steht mit Filzstift unter einem vergrößerten Passfoto. Ive wird gesucht, ein Mädchen aus Sarajevo. Sechzehn Jahre jung war sie, als sie verschwand. Wenn sie noch lebt, ist sie jetzt achtzehn. Ive hatte eine Verabredung mit irgendeinem Mann mit albanischem Akzent, der ihr eine Stelle in der Schweiz versprach. Nach dieser Verabredung ist sie nie wieder heimgekehrt.
(Gekürzter Text von Linda Polman – Die Autorin ist Journalistin und lebt in Amsterdam) (bb)
Links und Lesetipps
ai Österreich – www.amnesty.at
Human Rights Watch – hrw.org/german
UNO – www.un.org
Europarat – www.coe.int/DefaultDE.asp
Quelle
Linda Polman: Serbien und Montenegro/Kosovo. Mit Haut und Haaren. In: amnesty journal, März 2005. (Link nicht mehr funktionstüchtig)
Bildquelle: www.sxc.hu