Migration

Migration (von lateinisch migratio = Wanderung) gibt es seit Menschen auf dieser Erde leben. Jedoch ist Migration heute ein hochkomplexes und multidimensionales Phänomen, das sich schon allein dadurch ausdrückt, dass sich nicht nur Menschen über Grenzen bewegen, sondern auch Grenzen über Menschen (vgl. Nuscheler, 2004: 101).

180 - emigrationNeben der freiwilligen Emigration umfasst der Begriff Migration vor allem das unfreiwillige Zurücklassen von Zuhause und Familienangehörigen durch Flucht vor Kriegen, aufgrund ausgetrockneter Böden oder aus Dörfern, die keine Zukunftsperspektive erlauben. Das 20. Jahrhundert gilt als das Jahrhundert der Flucht und auch im 21. Jahrhundert gilt es als eine der größten globalen Herausforderungen. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht aktuell von 192 Millionen MigrantInnen aus, ein Viertel davon sind Flüchtlinge und Vertriebene.

Unfreiwillige Migration

Nach Angaben des Flüchtlingshochkomissariats der Vereinten Nationen sind weltweit etwa 43 Millionen Menschen gezwungen ihre Heimat zu verlassen (UNHCR, 2010). Davon sind über die Hälfte Binnenflüchtlinge (engl.: Internally displaced persons). Die Gründe sind vielfältig (Landflucht, Umweltflucht, Flucht aus politischen Gründen u. a.), Flucht bedeutet aber immer Not und Kampf ums Überleben. So wie in Afrika, südlich der Sahara, Tausende von Menschen aufgrund von Bürgerkriegen oder Umweltkrisen flüchten. Oder in Afghanistan wo bereits beim Einmarsch des Sowjetischen Militärs im Jahre 1979 fünf Millionen von ihrer Heimat vertrieben wurden und seitdem immer wieder Rückwanderungs- und neue Flüchtlingsbewegungen aufgrund von Kriegen entstanden. Oder – um die historische Bedeutung von Migration zu unterstreichen – vor dem zweiten Weltkrieg hunderttausende Juden ins Exil gezwungen wurden.

„Illegale“ Migration in Europa

Aufgrund der Verengung der legalen Migrationspfade und der Verschärfung des Asylrechts bleibt für viele Menschen nur mehr der Weg der illegalen bzw. irregulären Migration nach Europa. Gleichzeitig steigt die Zahl und Aktivität von kriminellen Schlepperbanden. Über die EU-Außengrenzen illegal hereinzukommen ist ein lebensgefährliches Unterfangen. Grenzsoldaten und High-Tech-Überwachungsgeräte halten sie davon ab. Jährlich sterben hunderte Menschen auf dem Weg nach Europa, ertrinken im Mittelmeer oder versticken versteckt im LKW Container. Wenn sie es geschafft haben in die „Festung Europas“ zu kommen haben sie jedoch wenig Rechte und die einzige Überlebensmöglichkeit liegt oft in einem irregulären, ausbeuterischen Arbeitsverhältnis. So bauen ganze Wirtschaftszweige, wie z.B. die Landwirtschaft in Südspanien auf illegalen „Billigarbeitskräfte“ auf. Die illegal Eingewanderten müssen unter sklavereiähnlichen Bedingungen arbeiten. Die Politik dazu ist widersprüchlich, denn „sie toleriert was sie offiziell verbietet“ (Nuscheler, 2004: 58)

Die spanische Gruppe Manu Chao setzt sich in ihren Liedern intensiv mit Migration und der europäischen Migrationspolitik auseinander. Das Lied Clandestino (bedeutet heimlich) beschreibt aus der Sichtweise eines Flüchtlings den Weg von Afrika nach Spanien.

Clandestino (Manu Chao)

Ich bin allein mit meinem Leid
Einsam ist meine Verurteilung

Weglaufen ist mein Schicksal,
um das Gesetz zu hintergehen.
Verwirrt im Herzen

Vom großen Babylon,
Sie nennen mich den Untergetauchten,
weil ich keine Papiere habe.

In einer Stadt im Norden
Ging ich, um zu arbeiten;
Mein Leben habe ich zwischen
Ceuta und Gibraltar gelassen.
Ich bin ein Strich im Meer;
Ein Gespenst in der Stadt.
Mein Leben ist verboten,
sagen die Behörden.

Ich gehe allein mit meinem Leid
Einsam geht meine Verurteilung
Weglaufen ist mein Schicksal,
um das Gesetz zu hintergehen.
Verwirrt im Herzen
Vom großen Babylon,
Sie nennen mich den Untergetauchten.
Ich bin der Gesetzesbrecher.

Link zum Song Clandestino von Manu Chao: http://www.youtube.com
Übersetzung des Liedtextes von Rocio Vasquez Perez (Internationaler Versöhnungsbund-Deutscher Zweig, 2010: 24)

Am Beispiel: Ägypten-Sudan

Millionen SudanesInnen haben ihr Land verlassen müssen, weil dort bis heute in großen Teilen Krieg herrscht. Viele sind in das Nachbarland Ägypten geflüchtet. Dort erwarten sie jedoch häufig rassistische und andere Formen von Gewalt. Zudem wird ihnen selten der Flüchtlingsstatus
anerkannt und damit die Möglichkeit offiziell Schutz in Ägypten zu erhalten. Im Gegenteil – Human Rights Watch geht davon aus, dass Menschen, die weiter Richtung Israel flüchten sogar von der Ägyptischen Grenzpolizei getötet werden.

Der Zugang zu Arbeit, Gesundheitsversorgung und zum Bildungssystem ist ihnen großteils verwehrt. Aber es gibt auch Organisationen, die sich für die Sudanesischen Flüchtlinge in Ägypten einsetzen. So z.B. die Sudanese Refugees Community Development Association (Sudanesische Flüchtlinge – Gemeinschaftsentwicklungsorganisation). Ein junger sudanesischer Lehrer hat gemeinsam mit dieser Organisation das New Future Learning Centre initiiert – Kindergarten, Schule und ein Treffpunkt für sudanesiche Familien. Es ist ein Hoffnungsfunke für viele Kinder von sudanesischen Flüchtlingen, denn den sudanesischen Kindern steht das ägyptische Bildungssystem nicht offen und auf den Straßen sind sie mit rassistischen Äußerungen konfrontiert. Das New Future Learning Centre ist ein Ort, der Sicherheit und eine Zukunftschance für die Kinder bedeutet.

(cke)

Lesetipps und Links

Daniel Cohn Bendit und Thomas Schmid (1993): Heimat Babylon: Das Wagnis multikultureller Demokratie. Hamburg: Hoffmann und Campe.

Corinna Milborn (2006): Die gestürmte Festung Europa. Mauern-Ghettos-Terror: Das Schwarzbuch. Wien: Styria.

UNHCR – www.unhcr.at

HRW – www.hrw.org

Quellen

Franz Nuscheler (2004): Internationale Migration. Flucht und Asyl, Schriftenreihe Grundwissen Politik, Bd. 14, 2. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag.

United Nations High Comissioner for Refugees (UNHCR) (2010): 2009 Global Trends. Refugees, Asylum-seekers, Returnees, Internally Displaced and Stateless Persons. Geneva: UNHCR.

Sudanese Refugee Community Development Associaton Cairo-Egypt: New Future Learning Center, verfügbar unter http://srcda.webs.com/newfuturelearning.htm (Link nicht mehr funktionstüchtig)

Internationaler Versöhnungsbund-Deutscher Zweig (2010): Flucht und Migration, Versöhnung 2/2010. Minden: Versöhnungsbund.

Bildquellen: Immigrants Arriving at Ellis Island 191.http://www.flickr.com/photos/83508181@N00/245963958/in/photostream/