Paramilitär in Kolumbien
Der Paramilitarismus in Kolumbien ist gekennzeichnet durch eine enge Verbindung zum florierenden Drogenhandel. Schätzungen zufolge kontrollieren die Drogenhändler 48 % des besten Bodens von Kolumbien.
Paramilitärische Aktivitäten sind heute nicht so sehr dem Kampf gegen die Guerilla-Bewegung gewidmet als vielmehr dem Bestreben, Kontrolle über Land zu erlangen. Aus diesem Grund haben sich paramilitärische Gruppen in den letzten Jahren bekämpft.
Vom Handlanger zum eigenständigen politischen Projekt
Das paramilitärische Phänomen hat in Kolumbien bis jetzt drei Perioden durchlaufen:
- Zu Beginn agierten die Paramilitärs im Dienste der wirtschaftlichen Interessen von Großgrundbesitzern und später zunehmend auch Drogenbaronen.
- Ihrer Doktrin der Nationalen Sicherheit folgend engagierte die USA in den 60er und 70er Jahren die rechtsgerichteten Paramilitärs als Akteure in einem „Krieg niederer Intensität“ gegen die „kommunistische Bedrohung“.
- Von Beginn bis etwa Mitte der 90er Jahre wurde der Paramilitarismus in Kolumbien zu einem eigenständigen politischen Projekt, das schließlich mit dem Amtsantritt von Präsident Alvaro Uribe Vélez im Jahr 2002 einen bedeutenden Entwicklungsschub nach vorne erlebte.
Präsident Uribe und der Paramilitarismus
Der Kolumbien-Spezialist Werner Hörtner sieht bei Uribe einige Verbindungen zum paramilitärischen Lager: Er bezieht sich dabei unter anderem auf eine im September 1991 erstellte Liste des US-Verteidigungsministeriums, die Personen umfasst, welche mit dem Drogenkartell von Medellín verbunden sein sollen. Auch Alvaro Uribes Name steht auf dieser Liste. Kurioserweise wird Uribe später als Präsident zum wichtigsten lateinamerikanischen Verbündeten in Washingtons Drogenbekämpfungspolitik.
Kritik am Demobilisierungsprozess
Präsident Uribe hat die Demobilisierung der Paramilitärs von Anfang an zu einem zentralen Eckpunkt seiner Politik gemacht. Am 15. Juli 2003 unterzeichneten die Regierung und die AUC („Autodefensas Unidas de Colombia“, Dachverband der rechtsgerichteten paramilitärischen Gruppen) das Abkommen von Santafé de Ralito. Dieses Abkommen sah vor, dass bis Ende 2005 alle paramilitärischen Gruppierungen, die geschätzte 20.000 Mann umfassten, ihre Waffen niederlegen sollten. Solange die demobilisierten Paramilitärs nicht wegen Terrorismus, Entführung, Genozid oder Mord außerhalb des Kampfgeschehens angeklagt oder rechtskräftig verurteilt sind, werden sie im Zuge des Demobilisierungsprozesses für ihre illegalen Aktivitäten begnadigt und erlangen überdies Begünstigungen in Form von Berufsausbildung und ökonomischer Starthilfen.
Die legalen Rahmenbedingungen des Demobilisierungsprozesses sind insofern problematisch, als sie der Re-Paramilitarisierung keinen Einhalt gebieten: Die geringe Zahl an abgegebenen Waffen (das Verhältnis beträgt 2:1) lässt vermuten, dass Waffen bewusst zurückgehalten würden, um die politischen und wirtschaftlichen Interessen auch weiterhin zu schützen. Dem Bericht von „Human Rights Watch“ zufolge ging die Implementierung der kollektiven Demobilisierungen äußerst lücken- und fehlerhaft vonstatten.
Abgerüstet – und doch nicht abgesetzt
In manchen Gegenden Kolumbiens haben die Paramilitärs den Staat als Ordnungsmacht schon verdrängt und kontrollieren jeden Aspekt des gesellschaftlichen Lebens. Sie erpressen „Steuern“ für „Sicherheit“, nehmen also Schutzgeld ein, was eine weitere Parallele zu mafiösen Strukturen ist. Durch Bedrohung und Ermordung unliebsamer PolitikerInnen beeinflussen sie sogar das politische Geschehen. (dp)
Quellen
Werner Hörtner (2006): Kolumbien Verstehen. Geschichte und Gegenwart eines zerrissenen Landes. Zürich: Rotpunktverlag, 2006.
Human Rights Watch (2005): Smoke and Mirrors. Colombia’s demobilization of paramilitary groups. August 2005, Jg. 17, Nr. 3 (B).