Tribunale

25 - tribunaleDie Schaffung sogenannter „Tribunale“ (Ad-hoc-Gerichte) beruht auf dem Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen mit verbindlicher Wirkung gegenüber allen Staaten. Die internationalen Tribunale sind für Straftaten, die vor der Gründung des ICC (Internationaler Strafgerichtshof) begangen wurden zuständig und verfügen über internationalen Einfluss.

Die in den Statuten definierten Straftaten beschränken sich auf Völkermord sowie Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen und klammern das Verbrechen gegen den Frieden aus. Die Tribunale greifen in die Gerichtshoheit aller Staaten, beispielsweise in die Gebiete des ehemaligen Jugoslawiens und Ruandas, ein, wenn sie es für gerechtfertigt halten.

Ad-hoc-Gerichte können in jedem Staat Ermittlungen durchführen und von nationalen Gerichten abgeschlossene Verfahren wiederaufnehmen, falls sie der Ansicht sind, dass diese nicht korrekt durchgeführt wurden. Weiters können sie die Auslieferung von StaatsbürgerInnen des ersuchten Landes verlangen und sich in schwebende Verfahren einschalten.

Seit den 1990er Jahren hat die internationale Staatengemeinschaft bereits vier Kriegsverbrechertribunale eingesetzt:

  • Internationaler Gerichtshof für Ex-Jugoslawien (1993)
  • Internationaler Gerichtshof für Ruanda (1994)
  • Spezialgerichtshof für Sierra Leone
  • Außerordentliche Kammern in den Gerichten Kambodschas zur Verfolgung der Verbrechen der Roten Khmer (2004)

Zum Beispiel: Jugoslawien (ICTY)

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien mit Sitz in Den Haag wurde durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates 1993 gegründet. Die Aufgabe des Gerichts besteht darin, die Ahndung aller Verbrechen, die in Ex-Jugoslawien während des Jugoslawien- bzw. des Kosovo-Krieges seit 1991 begangen worden sind, zu vollziehen. Durch dieses Tribunal wurden die Morde in Srebrenica als Völkermord klassifiziert.

Einer der prominentesten Häftlinge dieses Tribunals war Slobodan Milosevic, der erste Präsident, der noch während seiner Amtsausübung wegen Völkermordes angeklagt wurde. Er verstarb jedoch während des vierjährigen Prozesses in Den Haag (2002-2006), sodass kein Urteil verkündet wurde.

Nach jahrelanger Flucht konnten Goran Hadzic und Ratko Mladic festgenommen werden. Ratko Mladic wurde am 26. Mai 2011 in Serbien festgenommen und am 31. Mai 2011 dem Tribunal überstellt. Er wurde wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angeklagt. Ihm werden vor allem die Taten in Sarajevo und Srebrenica zur Last gelegt. Mit der Verhandlung wurde am 14. Mai 2012 begonnen. Er wurde im November 2017 wegen Völkermord und in 10 von 11 weiteren Anklagepunkten schuldig gesprochen. Seine Haft dauert lebenslang.

Goran Hadzic wurde am 20. Juli 2011 verhaftet. Der ehemalige Präsident der selbsternannten serbischen Republik Krajina, wird wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angeklagt. Hadzic war der letzte flüchtige Kriegsverbrecher, der vom Tribunal gesucht wurde. Er starb 2016 in Novi Sad.

2010 kam es zum medialen Wiederaufleben des Prozesses gegen Radovan Karadzic. Er wurde wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angeklagt. Seit der ersten Anhörung Karadzics durch das Tribunal versteht es dieser, die Urteilsfindung künstlich in die Länge zu ziehen. Aus derzeitiger Sicht kann noch mit keinem Urteil gerechnet werden.
Radovan Karadzic wird unter anderem angeklagt wegen:

  • Völkermord: welchen er selbst begangen, geplant, angeordnet und/oder begünstigt hat, gegen einen Teil der bosnischen Muslime und/oder bosnischen Kroaten. Ziel dieses Völkermordes war es, die Republika Srpska (eine serbische Entität auf dem Gebiet Bosnien und Herzegowinas) von bosnischen Muslimen und bosnischen Kroaten zu „reinigen“
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Verfolgung, Mord, Deportation, unmenschliche Verbrechen und Auslöschung von bosnischen Muslimen, und/oder bosnischen Kroaten in den folgenden Städten: Banja Luka, Bijeljina, Bosanski Novi, Bratunac, Brčko, Foča, Hadžići, Ilidža, Ključ, Novi Grad, Novo Sarajevo, Pale, Prijedor, Rogatica, Sanski Most, Sokolac, Višegrad, Vlasenica, Vogošća und Zvornik. Auch wird er als Hauptverantwortlicher des Verbrechens in Srebrenica genannt.
  • Kriegsverbrechen: Zwischen 1992 und 1995 war Karadzic Teil einer Militäroperation, deren Ziel es war, die Bewohner von Sarajevo zu terrorisieren.

Am 26.Oktober 2009 begann das Tribunal mit der Anklage gegen Karadzic. Er war zur Anhörung nicht anwesend, er gab an, nicht genug Zeit gehabt zu haben, um sich vorzubereiten und um eine Verteidigungsstrategie aufzubauen. Im November 2010 wurde Karadzic Durchsicht der Akten gestattet. Dadurch wird das Urteil durch diesen weiter hinausgezögert. Radovan Karadžić wurde im März 2016 zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt.

Am 15. April 2011 wurde Ante Gotovina vom Tribunal zu einer 24 jährigen Haftstrafe verurteilt. Mit ihm wurde Mladen Markac zu 18 Jahren Haft verurteilt. Sie wurden beide wegen Kriegsverbrechen an serbischen Zivilisten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Jahr 1995 verurteilt. Gotovina wurde für die Gräueltaten, die unter der „Operation Sturm“ bekannt wurden, deren Befehlshaber er war, verantwortlich gemacht. Der Mitangeklagte Ivan Cermak wurde hingegen freigesprochen.

Im Dezember 2010 wurde eine neue Resolution durch den Sicherheitsrat erlassen, in dem dem Tribunal ein neues Zeitfenster gegeben wurde, um seine Verfahren abzuschließen. Es sollte mit 31. Dezember 2014 abgeschlossen sein. Bisher wurden 161 Anklagen erhoben. Im Moment sind 35 Prozesse im Verhandlungsstadium oder im Vorstadium. (Stand 02.03.2012)

(rc) (dm)

Quellen, Links und Lesetipps

http://www.icty.org/ (abgerufen am 16.1.2010)

Radovan Karadzic (abgerufen am 16.1.2010)

Ante Gotovina (abgerufen am 16.1.2010)

Bildquelle: Wikipedia (abgerufen am 16.1.2010)

http://www.icty.org/x/cases/karadzic/cis/en/cis_karadzic_en.pdf

http://www.icty.org/x/cases/hadzic/cis/en/cis_hadzic_en.pdf

http://www.icty.org/x/cases/mladic/cis/en/cis_mladic_en.pdf

http://www.icty.org/x/cases/gotovina/cis/en/cis_gotovina_al_en.pdf 

http://www.icty.org/x/file/About/Reports%20and%20Publications/ResidualMechanism/101222_sc_res1966_residualmechanism_en.pdf