Autonomie-/Sezessionskrieg

Kriege, in denen um größere regionale Autonomie innerhalb des Staatsverbandes oder um Sezession (Loslösung) vom Staatsverband gekämpft wird.

Zum Beispiel: Russland – Tschetschenien

Im sogenannten „zweiten Tschetschenienkrieg“ standen sich seit Beginn der Kampfhandlungen im Jahr 1999 zum einen tschetschenische Widerstandskämpfer und zum anderen russische Truppen bzw. prorussisch-tschetschenische Milizen gegenüber. Dieser Krieg wurde von der AKUF im Jahr 2008 als „Autonomie- bzw. Sezessionskrieg“ eingestuft (Kriegstyp: B-2).

Der zweite Tschetschenienkrieg, der 1999 in Tschetschenien  ausbrach, war, nach dem ersten Tschetschenienkrieg von 1994–1996, der letzte Höhepunkt einer langen Reihe von blutigen Auseinandersetzungen in der nordkaukasischen Region Tschetschenien, in denen das tschetschenische Volk für seine Unabhängigkeit kämpfte.

Als Auslöser für den zweiten Tschetschenienkrieg ab 1999, der von russischer Seite als Teil des „Kampfes gegen den (islamistischen) Terrorismus“ deklariert wurde, werden immer wieder der Überfall von tschetschenischen Rebellen auf die Nachbar-Republik Dagestan und Bombenanschläge auf russische Wohnhäuser in Südrussland und Moskau genannt – wobei sich jedoch noch immer hartnäckig Gerüchte um eine mögliche Verwicklung des russischen Geheimdienstes in die Bombenattentate auf die Wohnhäuser halten.

Nachdem Anfang Februar 2000 die Hauptstadt Grozny durch russische Truppen eingenommen worden war, zogen sich die Widerstandskämpfer immer weiter in die unzugänglichen Bergregionen im Süden des Landes zurück, um von dort aus einen Guerillakrieg zu führen.

Verhandlungsangebote des demokratisch gewählten (und 2005 ermordeten) Präsidenten Tschetscheniens, Aslan Maschadov, wurden von russischer Seite mit der Begründung, man verhandle nicht mit Terroristen, konsequent abgelehnt.

Der Vormarsch der russischen Truppen zur Eroberung Tschetscheniens ging mit massiven Zerstörungen der zivilen Infrastruktur einher – auf die Zivilbevölkerung wurde keinerlei Rücksicht genommen. Immer wieder kam es zu Säuberungen, bei denen ganze Dörfer umstellt wurden und offiziell nach Widerstandskämpfern gesucht wurde. Es wurden Filtrationslager eingerichtet, in denen teilweise systematisch gefoltert wurde.

„Nach einem Autounfall des tschetschenischen Premierministers im November 2005 übernahm Kadyrow dessen Amtsgeschäfte zunächst kommissarisch, bevor er im März 2006 offiziell im diesem Amt bestätigt wurde. Ende 2006 wurde er dann durch Putin zum Präsidenten Tschetscheniens ernannt. Einen Gegenkandidaten gab es dabei nicht. Kadyrow benutzte Wiederaufbaugelder und direkte Finanzhilfen aus Moskau, um seine Machtposition in Tschetschenien und seine mehrere Tausend Mann starke Miliz auszubauen, die für Menschenrechtsverletzungen, vor allem Entführungen und systematische Folter, berüchtigt ist.“

Gerade MenschenrechtsaktivistInnen sind auch nach Kriegsende immer wieder Opfer von Anschlägen geworden:

  • Der Leiter des tschetschenischen Hilfswerks „Rettet die nächste Generation“ Murad Muradow und ein Mitarbeiter wurden im April 2005 entführt und ermordet. Dasselbe geschah mit seiner Nachfolgerin Sarema Sadulajewa und ihrem Mann im August 2009.
  • Die Journalistin und Aktivistin für Menschenrechte Anna Politkowskaja wurde am 7. Oktober 2006 in Moskau ermordet. Sie hatte in vielen Veröffentlichungen die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der russischen Führung in Tschetschenien angeprangert.
  • Der Rechtsanwalt Stanislaw Markelow, der sich für Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien einsetzte, wurde im Januar 2009 in Moskau erschossen.
  • Die Memorial-Mitarbeiterin Natalja Estemirowa wurde im Juli 2009 in Grosny entführt und ermordet.“

Der Konflikt endete mit dem Verbleib Tschetscheniens als autonome Republik im russischen Staatsverband. Seit Ende des letzten Krieges begann eine wirtschaftliche Erholung und der Wiederaufbau der Region.

(red)

Links und Lesetipps

Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) (Stand 10.01.2018)

Tschetschenien. Artikel-Sammlung: die Zeit (Stand 10.01.2018)

Social Science Open Access Repository (Wissenschaftliche Texte über Tschetschenien) (Stand 10.01.2018)

„Vergessen auf Befehl“. Bericht über den Dokumentarfilm von Manon Loizeau (Stand 10.01.2018)

Quellen

Seite „Tschetschenien“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6. März 2010, 01:33 UTC. (Stand: 06.03. 2010)

Michael Eichinger: Konfliktregion Tschetschenien, Ein Krieg – zwei ungleiche Gegner – zu viele Opfer. Salzburg, Fachbereichsarbeit, 2006. (Stand: 06.03.2010)

Bild (Grosny in Tschetschenien) fotografiert 1995 von Mikhail Evstafiev, Wikipedia