Ressourcen

Mit der Ausbreitung der Konsumgesellschaft steigt nicht nur der Energiehunger, sondern der Verbrauch an Naturressourcen insgesamt. Denn in allen Produkten stecken Rohstoffe, die der Erde entnommen werden. Man spricht vom „ökologischen Rucksack“. So hat ein Auto, das selbst 1, 6 Tonnen wiegt, einen ökologischen Rucksack von 70 Tonnen. Und demnächst wird es 1 Milliarde Autos auf der Welt geben. Eine CD trägt einen Rucksack von zirka 1,6 Kilogramm mit sich. Nur durch weniger Konsum, intelligentere Produkte, z. b. kleinere Autos, durch längeren Gebrauch der Produkte und flächendeckendes Recycling kann der Ressourcenverbrauch gesenkt werden.

Die Steigerung der Konsumprodukte sowie die weltweite Zunahme derer, die sie sich leisten können, haben zu einem enormen Anstieg des Ressourcenverbrauchs geführt. Heute verbraucht die Menschheit jährlich etwa 60 Milliarden Tonnen an Rohstoffen – das ist um etwa 50 Prozent mehr als noch vor dreißig Jahren. Dieses enorme Volumen entspricht dem Gewicht von 41.000 Empire State Buildings, so die AutorInnen der Studie „Ohne Maß und Ziel?“, die vom Umweltinstitut SERI gemeinsam mit Friends of the Earth und Global 2000 herausgegeben wurde.

Der Ressourcenverbrauch hat sich mit den Wirtschafts- und Lebensweisen verändert. Betrug der Verbrauch an Rohstoffen einschließlich Nahrung bei den Jägern und Sammlern 3 Kilogramm pro Person und Tag, so stieg er in den Ackerbau- und Viehzuchtgesellschaften auf 11 Kilogramm. In der Konsumgesellschaft hat sich der Ressourcenverbrauch auf 44 Kilogramm pro Kopf und Jahr noch einmal vervierfacht. Eingerechnet werden die Rohstoffe für Produkte wie Metalle oder Erdöl, die Baumaterialien für Häuser, der Energieverbrauch, die Nahrungsmittel.

Ungleiche Verteilung des Ressourcenkonsums

EinwohnerInnen reicher Länder konsumieren bis zu zehnmal mehr natürliche Ressourcen als jene der ärmsten Länder. Im Durchschnitt verbrauchen die EinwohnerInnen Nordamerikas etwa 90 Kilogramm Ressourcen pro Tag und Jahr. In Europa liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei etwa 45 Kilogramm pro Tag – in Afrika nur bei etwa zehn Kilogramm pro Tag., so die AutorInnen der Studie „Ohne Maß und Ziel“.

Andererseits kommen viele Rohstoffe aus ärmeren Ländern, etwa aus Afrika. Das bringt diesen zwar Devisen, führt aber zur Verfestigung von Ungleichheiten, da Rohstoffe einen viel schlechteren Preis am Weltmarkt erzielen als Fertigprodukte. Diese werden vor allem in den industrialisierten und den Schwellenländern Ländern erzeugt und von diesen exportiert. So fallen in Afrika 80 Prozent aller Exporte auf Rohstoffe und Agrarprodukte, nur 20 Prozent machen Industrieprodukte aus. In Nordamerika und Europa ist es umgekehrt: 80 Prozent der Exporte sind Industrieprodukte. In Asien, der „Werkbank der Welt“, machen Industrieprodukte mittlerweile 82 Prozent aller Exporte aus!

Wir in den reichen Ländern konsumieren also bedeutend mehr, als durch heimische Ressourcen allein möglich wäre. Die reichen Länder besitzen daher ein so genanntes „ökologisches Handelsdefizit“. Der Abbau der Rohstoffe in „Entwicklungsländern“ ist häufig mit starker Umweltverschmutzung verbunden und meist hat die Bevölkerung nichts von der Ausbeutung der Rohstoffe. Die Gewinne bleiben bei den Machteliten des Landes sowie bei den internationalen Konzernen.

 Beispiel Nigeria

Nigeria ist der größte Ölproduzent Afrikas und der elfgrößte der Welt. Zudem verfügt das Land über große Erdgasvorkommen. 40 Prozent des Erdöls wird von nur einem Unternehmen gefördert: der Firma Shell, die mit der nigerianischen Regierung zusammenarbeitet. Die Shell Petrolium Development Company ist ein Joint Venture-Unternehmen mit der Regierung Nigerias. Doch bislang konnte der Großteil der NigerianerInnen noch nicht vom Erdölreichtum des Landes profitieren – Nigeria zählt heute zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Bevölkerung leidet aber an den ökologischen Folgen. Shell und andere Erdölunternehmen haben das Niger-Delta praktisch gänzlich in ein von Abfackelung und Ölteppichen schwer gezeichnetes Ödland verwandelt. Das Abfackeln von Gas, bei dem das bei der Erdölförderung entweichende Gas einfach angezündet wird, statt es einer Nutzung zuzuführen, verursacht gewaltige gesundheitliche Auswirkungen, so der bereits zitierte Bericht des Umweltinstituts SERI gemeinsam mit Friends of the Earth und Global 2000.

Gefahr von Ressourcenkonflikten

Für den Zukunftsforscher Franz Josef Radermacher ist die Ressourcenfrage die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts: „Das Wort Ökologie hat für viele Menschen heute noch einen harmlosen Klang – in Zukunft aber steht es für knallharte Einschränkungen, für öko¬nomisches und physisches Überleben.“ Wenn Wirtschaft und Gesellschaft nicht grundlegend neu geordnet werden, „verbinden sich der ökonomische Kollaps, soziale Verteilungskonflikte und die ökologischen Grenzen des Wachstums zu einem massiven Angriff auf Menschenrechte und Menschenwürde“, so auch die Autoren Kai Niebert und Michael Müller in ihrem Band „Epochenwechsel“. Entweder erleben wir ein „Jahrhundert erbitterter Verteilungskämpfe, weil die Politik die Wirtschaftsprozesse weder sozial noch ökologisch regelt“, oder es kommt „zu einer nachhaltigen Entwicklung, in der wirtschaftliche Innovationskraft mit sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verträglichkeit verbunden wird“, so die Überzeugung der beiden.

Ressourcenschonendes Wirtschaften

Die Ressourceneffizienz stieg in Europa und weltweit in den letzten Jahren kontinuierlich an. Um einen Euro Bruttoinlandsprodukt zu erwirtschaften, benötigt die Weltwirtschaft heute etwa 30 Prozent weniger Ressourcen als noch vor dreißig Jahren. Trotzdem steigt der Ressourcenverbrauch weiter. Warum? Das Wirtschaftswachstum „frisst“ die höhere Ressourceneffizienz wieder auf. Wenn mehr konsumiert wird, steigt der Naturverbrauch, auch wenn die Produkte „ökologischer“ werden. In der Fachsprache ausgedrückt: Mengeneffekte zehren die Effizienzgewinne auf.

Beispiel Handy

Seit der Markteinführung des ersten kommerziellen Mobiltelefons im Jahr 1983 verbesserte sich die Technologie rapide. Die Materialintensität der Mobiltelefone ging auf Grund von Verbesserungen im Design und der Entwicklung neuer Technologien stark zurück. 2005 machte das Gewicht eines Handy nur mehr ein Fünftel der ersten Modelle aus. Mobiltelefone sind heute zwar kleiner und leichter, nur besitzen gleichzeitig deutlich mehr Menschen ein Handy und diese ersetzen das Handy auch häufiger, um auf dem neuesten „Stand der Technik“ zu bleiben. Gab es 2002 eine Milliarde Mobiltelefone weltweit, so waren es 2009 bereits 2,5 Milliarden. Durchschnittlich werden Handys zirka alle eineinhalb Jahre durch neue ersetzt, was bereits im Jahr 2005 zu einem geschätzten Bestand von rund 500 Millionen ungebrauchten Mobiltelefonen führte. Was bedeutet dies für die Umwelt?

Ein durchschnittliches Handy (ohne Batterie) besteht zu etwa 60 Prozent aus Plastik, 25 Prozent aus Metallen und zu rund 15 Prozent aus Keramik. Die wertvollsten Bestandteile sind die verwendeten Metalle: Kupfer, Eisen, Nickel, Silber, Zink und mit geringen Anteilen Gold, Blei, Mangan, Palladium und Zinn. Allein im Jahr 2009 wurde rund eine Milliarde Handy verkauft. Zu ihrer Herstellung mussten mehr als 15.000 Tonnen Kupfer, 350 Tonnen Silber, 30 Tonnen Gold und 14 Tonnen Palladium entnommen werden. Am Beispiel des Handys lässt sich gut zeigen, wie der Ressourcenbedarf weiter wächst und der „Bumerang-Effekt“ des Mengenwachstums wirkt.

Beispiel Papierverbrauch

Papierprodukte aller Art verschlingen rund 40 Prozent des weltweit geschlagenen Holzes. Allein für die Produktion von Papiertaschentüchern und Toilettenpapier werden täglich rund 270 000 Bäume gefällt, so Zahlen aus dem Buch „Tatort Eine Welt“. Weltweit werden heute über 300 Millionen Tonnen Papier verbraucht, das entspricht etwa einem Papierstapel von 8 Mal der Entfernung zwischen Erde und Mond. Und der Bedarf an Papier und Zellstoff steigt weiter. Der größte Teil des Papiers wird in den Industriestaaten verbraucht. Allein in Deutschland wird etwa soviel Papier benötigt wie in ganz Afrika und Südamerika zusammen. In Österreich fallen pro Kopf und Jahr 225 kg Papier an. Die Hälfte davon ist dem privaten Verbrauch zuzuordnen, die andere der Wirtschaft , für Büro, Verpackung und Werbematerialien. Stark ins Gewicht fallen Reklamesendungen, die etwa ein Drittel des privaten Papierkonsums ausmachen. Geschätzt werden 100 Kilogramm Werbesendungen pro Haushalt und Jahr!
Der Zellstoff für das produzierte Papier wird zum überwiegenden Teil aus Entwicklungsländern importiert, etwas aus riesigen Eukalyptus-Plantagen in Indonesien, für die Urwald gerodet wurde. Zudem werden in den Regenwäldern Lateinamerikas und Südostasiens immer größere Papierfabriken gebaut. Regenwaldabholzung in großem Stil, oft in illegalen Einschlägen, ist die Folge. Die indonesische Papierindustrie verbraucht jährlich fast 30 Millionen Kubikmeter Holz, das zu 90 Prozent aus Regenwäldern stammt. Der einst als unerschöpflich geltende Urwald auf Sumatra könnte bald vollends zerstört werden, so die Autoren von „Tatort Eine Welt“. Dazu trägt auch der steigende Papierverbrauch Chinas bei, auch wenn dieser derzeit bei einem Zehntel jenes der USA liegt.

Was können wir tun?

Der Verbrauch an Ressourcen ist durch verantwortungsvollen Konsum reduzierbar. Als Stichworte gelten „Weniger“ (nur kaufen was ich wirklich brauche), „Nutzenorientiertes statt prestigeorientiertes Kaufen“ (z. B. kleineres Auto) sowie „Langlebigkeit“ (Dinge lange nutzen, z. B. Handy). Wichtig ist, sich für die Herkunft der Produkte zu interessieren, dafür, wie sie produziert wurden und wie viele Rohstoffe dafür aufgewendet werden mussten.

Beispiele: Das Handy oder den PC verwenden, solange er funktioniert. Nicht immer gleich das „Neueste“ haben müssen. Nach Möglichkeit darauf achten, dass nicht mehr verwendete Produkte weitergegeben werden – so gibt es bereits Secondhand-Läden auch für Handys. Und wenn etwas tatsächlich nicht mehr verwendet werden kann, darauf achten, ob die verwendeten Rohstoffe einer Wiederverwertung zugeführt werden können.

Papier-Recycling ist mittlerweile ja zum Standard geworden – das Altpapiersammeln hoffentlich auch. Die Verwendung von Recycling-Papier hilft nicht nur, die Abholzung von Wäldern zu verringern, sondern spart auch bis zu 90 Prozent der Energie ein, die für die Zellstoffherstellung benötigt wird. Auch der Papierkonsum kann reduziert werden: Wer auf Werbesendungen verzichtet, in dem er/sie ein „Bitte-Keine-Reklame-Schild“ am Briefkasten anbringt, verringert seinen Papierverbrauch deutlich und zeigt auch, dass er die „Zwangsbeglückung“ mit Werbung nicht will.

Mit Witz und Lebensfreude zu einem weniger konsumgestressten Leben

Im Gespräch miteinander findet ihr sicher viele weitere Beispiele, wie der Konsum und damit auch der Naturverbrauch verringert werden kann. Zum Beispiel durch Erstellen von Listen über Dinge, die Freude machen, aber nicht zum Kaufen sind. Letztlich geht es um eine Wirtschaft, in der alle genug bekommen, die aber nicht ständig wachsen muss. Anregungen dazu kommen auch von KünstlerInnen. Auf amüsante Weise schildert etwa die Autorin Annie Leonhard den Nonsens des permanenten Mehr-Haben-Wollens in ihrem Film „The Story of Stuff“.

Die kanadische Initiative „AdBusters“ provoziert mit der Verfremdung von Werbebotschaften oder Aktionen wie dem „Buy Nothing Day“ zum Nachdenken. Und das politische Theater „Church of Stop Shopping“ tritt in den USA vor Kaufhäusern auf , um die Menschen vom „Kaufrausch“ zu „bekehren“. Kritische Filme wie „We feed the World“, „Darwin´s Nightmare“, „Workingman´s Death“ oder „Plastic Planet“ zeigen die globalen Verstrickungen unserer glitzernden Konsumwelten in die Ausbeutung von Menschen und Natur weit weg von uns auf. Sich informieren, Dinge nicht einfach hin nehmen, sich einer Umwelt- oder Menschenrechtsinitiative anschließen, Protestmailings an Konzerne unterstützen – auch das gehört zu einem guten Leben!

(hh)

Lesetipps und Links

Ohne Maß und Ziel? Über unseren Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde. Hg. von SERI, Global 2000 und Friends of the Earth Europe. Wien, 2009.

Jill Jäger: Was verträgt unsere Erde noch? Wege in die Nachhaltigkeit. Frankfurt, 2007.

Karl Albrecht Himmel, Klaus Tränkle: Tatort Eine Welt. Wuppertal, 2007.

Klaus Werner-Lobo: Uns gehört die Welt. Macht und Machenschaften der Multis. München, 2008.

Dan Jakubovicz: Genuss und Nachhaltigkeit. Handbuch zur Veränderung des persönlichen Lebensstils. Wien, 2002.

Hans Holzinger: Nachhaltigkeit nachlesen. Sustainable Austria Nr. 45, Wien, 2008. Download:http://www.nachhaltig.at/buch/ (abgerufen am 10.1.2018)

Hans Holzinger (Hg.): Kunst der Nachhaltigkeit. Sustainable Austria Nr. 34, Wien, 2006. Download:www.nachhaltig.at/zeitung_archiv.htm (abgerufen am 10.1.2018)

Konsum und Lebenstil. Ausgabe 3/2010 der Zeitschrift polis.
Download: http://www.politik-lernen.at/content/site/gratisshop/shop.item/105755.html (Stand 2008)

www.storyofstuff.com (abgerufen am 10.1.2018)

https://www.adbusters.org/gallery/spoofads (abgerufen am 10.1.2018)

www.revbilly.com (abgerufen am 10.1.2018)

www.nachhaltig.at (abgerufen am 10.1.2018)

www.we-feed-the-world.at (abgerufen am 10.1.2018)

www.darwinsnightmare.com (abgerufen am 10.1.2018)

www.plastic-planet.at (Stand 2008)

Quellen

Ohne Maß und Ziel? Über unseren Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde. Hrsg. von SERI, Global 2000 und Friends of the Earth Europe. Wien, 2009.
Download: www.old.seri.at/documentupload/SERI%20PR/ohne_mass_und_ziel–2009.pdf (abgerufen am 10.1.2018)

Karl Albrecht Immel, Klaus Tränkle: Tatort Eine Welt. Wuppertal, 2007.

Hans Holzinger: Nachhaltig leben. 25 Vorschläge für einen verantwortungsvollen Lebensstil. Salzburg, 2002.

Hans Holzinger: Kunst der Nachhaltigkeit. Sustainable Austria, Wien 2007.

Michael Müller, Kai Niebert: Epochenwechsel. Plädoyer für einen grünen New Deal. München, 2009.

Franz Josef Radermacher; Bert Beyer: Welt mit Zukunft. Überleben im 21. Jahrhundert. Hamburg, 2007.

Grafiken aus Broschüre: Ohne Maß und Ziel? 2009