Börse und Krieg

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Krieg und Börse? Thomas Roithner und Karin Bock-Leitert haben in ihrem Buch „Der Preis des Krieges“ Wissenschafter zu diesem Thema befragt und unterschiedliche Antworten erhalten:

„Nur sehr vermittelt. Die Börse ist ein sehr kurzfristiges, kurzlebiges und spekulatives Unterfangen. Der Gedanke, die Börse als Kriegstreiberin, ist ein bisschen von vorgestern,“ meint Friedensforscher Werner Ruf.

Der Kommunikationswissenschafter Jörg Beckerweist darauf hin, dass „Börsen ein eigenes Leben für eine bestimmte Anzahl von Börsenmaklern und Spekulanten führen. Direkte Rückwirkungen auf Produktion und Handel oder auf die ökonomische Situation in armen Ländern sehe ich so nicht. Das ist eine eigensinnige, seltsame Abkoppelung von der Realentwicklung.“

Auch Friedrich Korkisch ist skeptisch bezüglich dieser These: „Man kann daher nicht sagen, welche Unternehmen an der Börse besser abschneiden. Wir wissen, dass bei Unternehmungen, die Rüstungsaufträge bekommen, die Aktienkurse steigen, aber nicht mehr als bei Zivilfirmen, die einen Großauftrag erhalten.“

Jörg Huffschmid meint hingegen: „Der Aktienmarkt würde sich zunächst einmal in Vorkriegszeiten, wo Spannungen steigen und irgendwie erwartet werden, sehr uneinheitlich verhalten. Die Rüstungsaktien würden wahrscheinlich steigen und andere Aktien wie etwa Kühlschrankaktien würden fallen, weil die Leute ihr Geld umschichten. Sie verkaufen Kühlschrankaktien und kaufen Rüstungsaktien, und insofern werden sich die Kurse unterschiedlich entwickeln. Was die gesamte Entwicklung des Aktienmarktes betrifft, ist das unterschiedlich. In Ländern, die sich vom Krieg bedroht fühlen, würden wohl die Aktien und die Börsenmärkte eher heruntergehen, während in Ländern, die vor dem Krieg stehen und ihn gewinnen werden, den Investoren sagen könnten, dass da für jeden etwas von der Beute drinnen ist, und insofern steigen die Aktien dann. Im Krieg ist auch die Einschätzung der Situation wichtig, ob man sich in einer Gewinner- oder Verliererphase befindet, natürlich steigen die Rüstungsaktien immer an. Wenn man dann am Ende des Krieges verloren hat, sinken die Aktien generell, ganz besonders die Rüstungsaktien. Irgendwelche Bankaktien könnten steigen, denn auch nach einem verlorenen Krieg müssen Banken da sein, um Geschäfte abzuwickeln. Ich denke ein einheitliches Bild lässt sich nicht geben, erstens weil die Börsenmärkte aus ganz unterschiedlichen Unternehmen – die vom Krieg unterschiedlich betroffen sind – zusammengesetzt sind, und zweitens, weil die Position des Landes im Krieg eine wichtige Rolle spielt.“

Am Beispiel: Irak-Krieg

„Angesichts des schnellen Vorrückens der US- und britischen Truppen im Irak hat sich der weltweite Verfall der Ölpreise fortgesetzt. An der Londoner Ölbörse IPE fiel der Preis am Freitag für ein Barrel zeitweise unter 25 Dollar. Der offizielle Preis für OPEC-Öl fiel schon am Donnerstag auf 26,51 Dollar, 61 US-Cent weniger als am Vortag. Das ist der niedrigste Stand seit dreieinhalb Monaten. Auch in New York war der Preisverfall weitergegangen, ein kurzes Anzeichen der Preise am Abend nach Berichten über brennende Ölquellen im Irak am Donnerstag setzte sich nicht durch. Die Hauptsorte West Texas Intermediate fiel um 1,27 Dollar auf 28,61 Dollar zum Handelsschluss. Im vorbörslichen Handel ging der Preisverfall weiter auf 27,37 Dollar pro Barrel, der niedrigste Wert seit dem 27. November. Auch Heizöl und Benzin wurden billiger.

Der Verlauf des Irak-Krieges verleiht auch der Börse und dem Dollar weiterhin Auftrieb. An der Schweizer Börse schloss der Swiss Market Index gestern zum siebten Mal in Folge im Plus. Er stieg um 2,8 % auf 8521 Punkte. Der Dollar stieg gestern erstmals seit Anfang des Jahres über die Marke von 1,40 Fr.“     (red)

Quellen:

K. Bock-Leitert & T. Roithner (Hg.) (2007): Der Preis des Krieges. Gespräche über die Zusammenhänge von Wirtschaft und Krieg. Hamburg: Monsenstein & Vamerdat.

Basler Zeitung, 22./23. Maerz 2003, Nr. 69, Seite 17

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