Wirtschaft und Krieg

Für 10.000 im Golfkrieg eingesetzte Streubomben könnte man über 10 Millionen Kinder gegen Polio, Masern und Tetanus impfen. Für die Kosten des Golfkrieges hätte man das Trinkwasserproblem der Welt lösen können. Fakten, die sich mit Cicero auf den Punkt bringen lassen: „Der Krieg bezieht seine Kraft aus unerschöpflichen Geldquellen.“

Armut, geringes Einkommen und die staatliche Rohstoffabhängigkeit zählen heute – neben einem komplexen Bündel sich
wechselseitig bedingender anderer Aspekte – in der Konfliktursachenforschung zu den zentralen kriegsauslösenden Faktoren. Mitunter hat die Weltbank – nicht selten im Zentrum der Kritik entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen – diese ökonomischen Faktoren für Krieg und Gewalt verantwortlich gemacht.

Chancengleichheit im Welthandel

Auf den Weltwirtschaftsforen (WEF), den Konferenzen der Welthandelsorganisation (WTO), der Weltbank oder des Währungsfonds (IWF) wird über Deregulierung, Chancengleichheit im Welthandel, globale Umverteilung und deren Finanzierung diskutiert.

Die Berliner Wirtschaftswissenschafterin Birgit Mahnkopf wirft den USA und der EU eine „aggressive Freihandels-Agenda“ vor, durch die „zur ökonomischen Destabilisierung in politisch fragilen Ländern“ beigetragen wird. Das vorherrschende neoliberale Wirtschaftssystem führt dazu, dass über die globalen Finanzinstitutionen und ihre Programme die Reichen reicher und die Armen ärmer werden.

Jörg Huffschmid, Ökonomieprofessor aus Bremen, schreibt über das Zusammenwirken von Wirtschaft und Krieg:

„Wirtschaft führt nicht unmittelbar zum Krieg, aber Marktwirtschaft lebt von der Konkurrenz und wenn diese nicht in einen politischen Zusammenhang eingebettet wird, der ihr auch Grenzen setzt, dann führt das zu immer schärferer Konfrontation. Da sind es nur ein paar Schritte von den ersten militärischen Interventionen zur Rohstoffsicherung, zur Sicherung eigener Bankinstitute bis zur Eskalation.“

„Die meisten Kriege des letzten Jahrhunderts und zunehmend auch die aktuellen Kriege“, ergänzt der UN-Journalist Andreas Zumach, „werden aus wirtschaftlichen Motiven geführt.“ Dies führt er nicht aus ohne nachzusetzen: „Kriege werden von den Bürgerinnen und Bürgern eines Staates finanziert“.

Die Rolle der Börse

Auch die Börse ist Nutznießer von Kriegsszenarien – je nachdem, worauf man setzt und wie man den Maßstab anlegt. ExpertInnenansichten sind hier gespalten. Es gibt Meinungen, wie die vom US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, der meint, dass Frieden generell gesehen stimulierender wirke, und andere, die der Börse sehr wohl Kriegstreibertum vorwerfen. Geschickte Fonds und AktienmanagerInnen können einem Krieg durchaus eine positive Seite abgewinnen.

Zusammenhänge von Wirtschaft und Krieg

Der noch andauernde Krieg im Irak hat die öffentliche Debatte über die komplexen Zusammenhänge von Ökonomie und Krieg wieder aufleben lassen. Für weite Teile der Bevölkerung und ExpertInnen waren wirtschafts- und geopolitische Gründe für den Irak-Krieg ausschlaggebend. Erdöl ist ein begrenzt vorhandener Rohstoff und an solchen Grenzen entstehen Konflikte. „Was entscheidender ist als die Spekulationen beim Ölpreis,“ so der Friedensforscher Werner Ruf, „ist seine Fakturierung in Dollar. Die USA können damit ihr 850-Milliarden-Dollar-Außenhandelsdefizit kompensieren, was nicht ginge, wenn beispielsweise der Ölpreis in Yen oder Euro fakturiert würde.“

Wirtschaftsmacht USA und EU

Der transatlantische Streit im Zuge des Irak-Krieges war mitunter ein Disput um die Rüstungsökonomien von den USA und der EU. Nicht nur die Konkurrenz zwischen Dollar und Euro, sondern auch die Konkurrenz zwischen Boeing und Airbus und zwischen den Satellitensystemen Galileo und GPS ist von zunehmender Bedeutung. Als reine Kriegsgewinner haben sich die großen privaten Militärfirmen entpuppt. Mittlerweile operieren über 90 private Militärfirmen in 110 Ländern, sie stellten die zweitgrößte Armee im Irak. Der Umsatz wird auf über 80 Milliarden Euro jährlich geschätzt, bis 2010 wird eine Verdoppelung prognostiziert.

Privatisierungen

Diese Privatisierung hat natürlich eine ganze Menge von Nebenaspekten und Folgen, u. a., dass sich solche Organisationen nicht an das Völkerrecht halten. Einen organisationenübergreifenden Lösungsweg schlägt Jakob von Uexküll vor, der Stifter des Alternativen Nobelpreises. Sein Ansatz ist ein Weltzukunftsrat, der an den Interessen der Menschen orientierte Ideen umsetzt. Nachdem der Weg zu Krieg in jedem Fall über die Politik führt, kann diese nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Da Kriege in den Köpfen der Menschen entstehen, muss auch der Friede in den Köpfen der Menschen gefestigt werden – so steht es in der Präambel der UNESCO. (tr)

Links und Lesetipps:

WTO

ECA-Watch

Weedbonn

attac Österreich

attac international

Informationsstelle Militarisierung e.V.

Werkstatt Frieden & Solidarität

AG Friedensforschung Universität Kassel

Bock-Leitert Karin, Roithner Thomas (Hg.) (2007): Der Preis des Krieges. Gespräche über die Zusammenhänge von Wirtschaft und Krieg. S. 202.

H. Münkler (2003). Die neuen Kriege. Hamburg: Rowohlt.

Christian Felber. 50 Vorschläge für eine gerechte Welt. Gegen Konzernmacht und Kapitalismus. Deuticke Verlag, Wien 2006

Welthaus Bielefeld. Misereor. DED, Entwicklungshindernis Gewalt. Ein Arbeitsbuch über neue Kriege und erzwungene Armut. Peter Hammer Verlag GmbH, Wuppertal 2006.

CD-ROM: Globalisierung. DGB Bildungswerk e. V (Hsgr.) 2001

Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (Hg.) Von kalten Energiestrategien zu heißen Rohstoffkriegen? LitVerlag, Wien 2008

Quelle:

SFK (Hg.) (2006): Die Weltunordnung von Ökonomie und Krieg. Von den gesellschaftlichen Verwerfungen der neoliberalen Globalisierung zu den weltumspannenden politischen Ansätzen jenseits des Casinokapitalismus. S. 304.

Bildquelle: Wikimedia Commons (abgerufen am 22.3.2021)