Subar aus Tschetschenien

Die Autorin Alexandra Cavelius beschreibt in ihrem Buch „Zeit der Wölfe“ die Geschichte von Subar, einer tschetschenischen Frau, die in ihrer Heimat in Notwehr drei russische Soldaten und einen tschetschenischen Denunzianten getötet hat und anschließend vor ihren Verfolgern nach Deutschland geflohen ist. 

Die 1953 geborene Subar erzählt darin, wie sie den tschetschenischen Rebellen in ihrer Wohnung Unterschlupf bot und Medikamente und Munition für sie organisierte. Einer ihrer Söhne war fast noch ein Kind, als er den ersten russischen Soldaten erschoss. Die Tochter stieg beim Wasserholen während der Bombardierungspausen über Leichen hinweg. Und schließlich flüchtete die Familie in die Wälder, um von da aus die russischen Milizen zu bekämpfen. Mutter und Tochter mussten dort mit anderen muslimischen Frauen lernen, in einer Männerwelt zurechtzukommen – und sich gegen die sogenannten „Wahabiten“ zu behaupten – afghanische Mudschahedins und islamische Fanatiker, die auf Seiten der Tschetschenen kämpfen und ihre Vorstellungen, wie sich eine Frau zu verhalten habe, durchsetzen wollten.

Tötung in Notwehr

„Bei einer Razzia in ihrer Wohnung erschoss Subar drei russische Soldaten und einen tschetschenischen Denunzianten, die sie zwingen wollten, das Versteck ihres Sohnes zu verraten. Die Familie des Milizionärs fordert seither Blutrache für seinen Tod. Subar versteckte sich den Winter über bei den Rebellen im Gebirge. Mit Hilfe eines Freundes bei der Regierung gelang ihr die Flucht nach Deutschland. Daraufhin wurden ihre Kinder von den Bluträchern der Wahabiten verfolgt, bis es der Mutter gelang, auch sie illegal nach Deutschland zu holen und ihre Abschiebung zu verhindern.“

Subar und ihre Kinder wurden in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt: Sie durften bleiben, unerkannt und in relativer Sicherheit. Bis Ende Oktober 2002 das Moskauer Musical-Theater besetzt wurde. Man bat Subar um ihre Meinung. Sie gab einige Interviews, unter anderem auch dem Fernsehsender n-tv. „Man befragte sie ausführlich über ihre Erlebnisse in der alten Heimat. Über die Schikanen der Besatzer. Über die sogenannten Säuberungen. Und darüber, dass Subar in Notwehr drei russische Soldaten und einen maskierten tschetschenischen Milizionär erschossen hat. Mehrere russische Sender übernahmen das Interview und ließen genau diese Sequenz immer wieder laufen. „Wenn jemand sich öffentlich rühmt, vier Leute erschossen zu haben, dann ist ja wohl alles klar,“ sagte der Sprecher der russischen Botschaft in Deutschland und forderte die Auslieferung der Terroristin an Russland.

Bedrohung durch Blutrache

„Subars Fall wurde geprüft: Auf Anweisung des Bundesjustizministeriums wurde die zuständige Staatsanwaltschaft tätig. Subar war aber nicht aus Tschetschenien geflohen, weil sie des Mordes angeklagt wurde, sondern weil die Angehörigen des getöteten Milizionärs Blutrache forderten, und weil ihnen das Recht auf Blutrache von wahabitischen Richtern nach dem Gesetz der Scharia zugesprochen wurde. Was ganz gegen tschetschenische Gepflogenheiten war. In Tschetschenien war es üblich, dass dann, wenn jemand getötet worden ist, die Ältestenräte der beiden betroffenen Sippen zusammenkamen. Sie untersuchten die Ursache des Todes und legten dann eine Strafe, normalerweise eine „unblutige“, fest. Die ausländischen Richter aber lehnten diese Möglichkeit im Falle von Subar kategorisch ab. Ihr Spruch: „Wer getötet hat, muss sterben.“ Subar war somit zwischen die Fronten der Russen und Islamisten geraten.“  (red)

Anerkennung als Flüchtling

Dieses Urteil, das sie in die Flucht getrieben hat, war für die deutschen Behörden ein Grund, Subar nicht auszuliefern. Heute lebt Subar mit ihrer Familie zurückgezogen in Deutschland.

Links, Quellen und Buchtipps:

Alexandra Cavelius: Die Zeit der Wölfe. Eine tschetschenische Familie erzählt. Ullstein, München, 2002

http://www.welt.de/print-welt/article388537/Wie_ein_Volk___sich_wehrt.html (abgerufen am 10.1.2018)

http://oe1.orf.at/highlights/108455.html (abgerufen am 10.1.2018)

Bildquelle: 

https://www.buch-engel.com/Johannes-Greiner_s38 (abgerufen am 10.1.2018)