Konditionierung

Unter Konditionierungversteht man die massive seelische Beeinflussung zukünftiger KämpferInnen in der Trainingsphase, nebst Konditionierung zum bloß reflex-gesteuerten Abfeuern der Waffe mit dem Ziel, die natürliche Tötungshemmung abzubauen. 

Laut Forschungsergebnissen aus dem „Institut für Diaspora- und Genozidforschung“ der Uni Bochum ist „nur“ jeder/jede fünfte SoldatIn für seine/ihre Aufgaben geeignet. Dave Grossman, selbst ein ehemaliger Militärangehörige und Psychologe, der sich mit der Frage des Abbaus von Tötungshemmungen beschäftigt, bestätigt, dass jeder von uns den Widerstand, zu töten, in sich trägt. Hat man einmal diese Schwelle überschritten, baut sie sich von Tat zu Tat zunehmend ab. In den 50er Jahren beschlossen US-Militär und Polizeiführung, neue Methoden zu entwickeln, um den Akt des Tötens „einzuüben“. Die ersten Schritte sind Brutalisierung und Desensibilisierung, die – im Falle der US Armee – in Form so genannter „boot camps“ passieren. Den jungen SoldatInnen wird durch ihre Ausbilder vermittelt, dass man nur überleben kann, wenn man die Notwendigkeit von Gewalt akzeptiert.

Im Zweiten Weltkrieg  wurde japanischen Piloten – den sogenannten „Kamikaze-Piloten“ –  im Training beigebracht, Tod mit Vernügen und Belohnung zu verbinden. Der dritte Schritt, die „operative Konditionierung“, ist eine Weiterentwicklung dieses Prinzips. So sitzt etwa ein Bomberpilot stundenlang im Flugsimulator. Sobald ein bestimmtes Lämpchen leuchtet, reagiert der Pilot. Das Ziel ist, den Piloten dazu zu bringen, im Ernstfall genau gleich zu reagieren wie in der Simulation. Ein anderes Beispiel wäre etwa auch das Schießtraining: Während die SoldatInnen zu Beginn auf einfache Pappscheiben schießen, werden die Scheiben im Lauf des Trainings durch menschliche Silhouetten ausgetauscht, auf die die SoldatInnen stundenlang zielen und schießen müssen. Beim Militär wird so das Töten automatisiert. Der vierte Schritt besteht daraus, dass das Militär jungen Menschen attraktive Rollenmodelle anbietet. Man erhält das Angebot, durch seinen Einsatz im Krieg zum „Held“ zu werden

Am Beispiel: Feven Abreha Tekle

Als ihr Heimatland Eritrea die Kriegserklärung gegen Äthiopien am 6. Mai 1998 ausspricht, wird die junge Feven, die gerade erst die Schule abgeschlossen hat, von der eritreischen Armee eingezogen.

„Das Ausbildungslager von Sawa ist eine riesige Kaserne in der eritreischen Tiefebene an der Grenze zum Sudan. […] In Sawa bereitete Eritrea die Soldaten vor, mit denen die Kriegsfront versorgt wurde. […] Das Leben war von ständigem Training bestimmt. Zweimal am Tag wurden wir zu zermürbenden Märschen und Schießübungen in die Wüste geschickt. Man ließ uns rennen, Angriffe oder einen Hinterhalt von Konvois nachstellen, oder man brachte uns bei, wie man sich im umliegenden Gelände tarnte. […] Durch überraschende nächtliche Alarme sollten wir lernen, uns so schnell als möglich einsatzbereit zu machen. Oft sandte man uns auch nachts in die Wüste, oder wir mussten uns zur Rucksackkontrolle aufstellen, bei der überprüft wurde, ob wir auch nichts vergessen hätten, was wir während eines Kampfes benötigten.“
Neben dem körperlichen Training erfolgte die „politische Schulung“ der SoldatInnen, um sie von der absoluten „Kriegsnotwendigkeit“ zu überzeugen und sie zum Kampf zu „motivieren“.

Politische Indoktrinierung

„Hinzu kam eine ständige erzwungene politische Indoktrinierung, eine systematische Gehirnwäsche, die dazu führen sollte, uns davon zu überzeugen, dass die Regierung allein von noblen Absichten geleitet wurde und der Krieg in einem Triumph enden würde, auch wenn Falschmeldungen über Siege und Gebietseroberungen durch tatsächliche Fakten, die alle auf die eine oder andere Weise erhielten, regelmäßig dementiert wurden.“

Eingriff in die Persönlichkeit

„Neuankömmlinge wie ich waren an ihrem unglücklichen, verlorenen Blick leicht auszumachen, die Veteranen hingegen auf unerträgliche Weise unberechenbar. Bald schon verstand ich, dass es besser war, niemandem zu trauen, denn Denunziation stand auf der Tagesordnung.“

Gehorsam durch Strafe

„Abreha [General Abreha ist der Vorgesetzte von Feven, Anm. d. Red.] hatte in der Kaserne ein Terrorregime eingeführt, mit täglichen öffentlichen und äußerst harten Bestrafungen. Weniger schwere Vergehen wurden mit der Strafzelle geahndet, einem Loch, in dem man nicht aufrecht stehen konnte und in das gerade eine winzige, schief stehende Pritsche passte. Der Gefangene musste Tag und Nach halb liegend darin ausharren, […] Schwere Vergehen wurden auf noch erniedrigendere und härtere Art bestraft, etwa indem ein Soldat gezwungen wurde, barfuß, nur in Unterhose auf dem Exerzierplatz bis zur Erschöpfung hin und her zu rennen, während die ganze Truppe um ihn herum ihn beschimpfte. Diese Bestrafung konnte mehrmals am Tag wiederholt werden oder auch mehrere Tage am Stück.“   (red)

Quellen, Lesetipps und Links

Dorothea Frank, Menschen töten. Walter Verlag, Düsseldorf 2006

Walter Hess (2004): Töten auf Distanz. In: Natürlich, Nr. 6, S. 58-61, hier 58.

Feven Abreha Tekle (2007): Ich wollte nicht töten! Die dramatische Flucht einer Soldatin durch Afrika. München: Blanvalet, S. 70-72, 80-81.

Hintergründe unter „Eritrea-Äthiopien-Krieg“. In: Wikipedia: Die freie Enzyklopädie  (Abgerufen am 10.1.2018)

Der Film „Full Metal Jacket“ als filmisches Beispiel für die Konditionierung von Soldaten:

www.filmzentrale.com/rezis/fullmetaljacketsk.htm (Abgerufen am 06.03. 2010)
(abgerufen am 10.1.2018)

Bildquelle:

Flickr.com (abgerufen am 10.1.2018)