Das Reserve-Polizeibataillon 101

In aller Frühe wurden die Männer des Reserve-Polizeibataillons 101 am 13. Juli 1942 aus ihren Pritschenbetten geholt. Die Männer stammten aus Hamburg, waren Familienväter mittleren Alters und kamen aus proletarischen oder kleinbürgerlichen Verhältnissen. Da sie als zu alt galten, um noch für die deutsche Wehrmacht von Nutzen zu sein, waren sie zur Ordnungspolizei eingezogen worden.

Es war noch ziemlich dunkel, als die Männer auf die wartenden Mannschaftslastwagen kletterten. An alle war zusätzliche Munition ausgegeben worden. Die Polizisten waren zu ihrem ersten größeren Einsatz unterwegs, ohne bisher erfahren zu haben, was ihnen bevorstand.
Die Bataillonslastwagen rollten im Konvoi aus Bitgoraj in die Dunkelheit hinaus nach Osten. Auf der holprigen Schotterstraße ging es nur langsam voran. So dauerte es eineinhalb Stunden, bis sie ihr kaum 30 Kilometer entferntes Ziel erreichten: die Ortschaft Jozefow, eine typische polnische Gemeinde mit bescheidenen, strohgedeckten weißen Häusern. 1.800 der EinwohnerInnen waren Juden und Jüdinnen.

„Befehl ist Befehl“

Die Männer kletterten von ihren LKWs und sammelten sich im Halbkreis um Major Wilhelm Trapp. Nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem sie von ihrem Kommandeur erfahren sollten, welchen Auftrag das Bataillon erhalten hatte.
Trapp war bleich und nervös, hatte Tränen in den Augen und kämpfte beim Reden sichtlich darum, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Das Bataillon stehe vor einer furchtbar unangenehmen Aufgabe. Ihm selbst gefalle der Auftrag ganz und gar nicht, die ganze Sache sei höchst bedauerlich, aber der Befehl dazu komme von ganz oben – und Befehl ist Befehl!
Dann kam er auf die eigentliche Aufgabe zu sprechen: Das Bataillon habe den Befehl, die Juden aus Jozefow zusammenzutreiben. Die Männer im arbeitsfähigen Alter sollten dann von den anderen abgesondert und in ein Arbeitslager gebracht werden, während die übrigen Juden – Frauen, Kinder und ältere Männer – vom Polizeibataillon auf der Stelle zu erschießen seien. Nachdem Major Trapp seinen Männern erklärt hatte, was ihnen bevorstand, machte er ein außergewöhnliches Angebot: Wer sich von den Älteren dieser Aufgabe nicht gewachsen fühle, könne beiseite treten.

Etwa 12 Männer nahmen das Angebot Trapps an, nicht an der Exekution teilnehmen zu müssen. Einige Männer versuchten ihren Einsatz zu verzögern, baten nach den ersten Tötungen, nicht mehr mitmachen zu müssen. Diesen Wünschen wurde entsprochen, indem die Männer ausgetauscht wurden.
Noch am selben Tag wurden alle 1.800 Juden aus Jozefow in einem nahegelegenen Wald von Mitgliedern des Reserve-Polizeibataillons erschossen.   (red)

Quellen und Lesetipps:

Browning Christopher. Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen. Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek bei Hamburg, 1996

Welzer Harald. Täter. Wie normale Menschen Massenmörder werden. S. Fischer Verlag, GmbH. Frankfurt/Main 2005

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