Islam
Vielen gilt der Islam in der heutigen Welt als die Religion der Gewalt schlechthin. Gewiss gibt es de facto eine Menge gewaltsamer Taten, zu deren Rechtfertigung sich die TäterInnen auf den Islam berufen. Aber das gab und gibt es in allen religiösen Traditionen – ebenso wie auch Ansätze und Beispiele zur Überwindung von Gewalt bzw. ihrer Delegitimierung in den Religionen. Wie also lässt sich das Verhältnis von Islam und Krieg von innen heraus kurz darstellen?
Islam heißt Friede
Schon das Wort Islam trägt in sich die gleiche Wurzel wie das arabische Wort für Friede, Salam, und der übliche Gruß, der jedem und jeder entboten wird, lautet „Friede sei mit dir“ (Salam alaikum). Der islamische Friedensbegriff ist weiters – so wie der jüdische und christliche – untrennbar mit den Begriffen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit verknüpft. In der islamischen Staatsrechtslehre wird zwischen einem „Haus des Friedens“ (Dar al-Islam) und einem „Haus des Krieges“ (Dar al-harb) unterschieden, das das (feindlich gesinnte) Territorium außerhalb der islamischen Welt bezeichnet. Als vermittelnde Instanz zwischen diesen beiden Konzepten gibt es dann noch „Dar as sulh„, das Haus des (politischen) Friedens, in dem ein friedliches Zusammenleben auf vertraglicher Basis (heute z. B. durch diplomatische Beziehungen) geregelt wird.
Krieg und Frieden im Koran
Für ein richtiges Verständnis der entsprechenden Verse im Koran gilt es den historischen Kontext, den Zeitpunkt der Offenbarung, zu beachten. Laut Lise J. Abid kommt diesbezüglich der Sure 22, Vers 39 („Die Erlaubnis (sich zu verteidigen) ist denen gegeben, die bekämpft werden, weil ihnen Unrecht geschah.“) eine Schlüsselrolle zu. Dementsprechend sind kriegerische Handlungen grundsätzlich nur zur Verteidigung erlaubt, alle anderen Aussagen zu diesem Thema stehen unter diesem Vorbehalt. Im historischen Kontext wurden der Prophet Mohammed und seine Gefolgsleute nach ihrer Flucht nach Medina 622 (Hedschra) wiederholt von den heidnischen Arabern aus Mekka bedroht und angegriffen, und die muslimische Gemeinschaft wehrte sich gegen diese Angriffe großteils mit gewaltlosen, teilweise aber auch mit gewaltsamen Mitteln. Sowohl vor dieser Periode wie auch währenddessen und danach ist von gewaltsamer Reaktion keine Rede, vielmehr widerstanden Mohammed und die Muslime dem Druck und den Anfeindungen mit Geduld und Gewaltlosigkeit. Auch von einem Auftrag zur Verbreitung des Islam durch Gewalt kann keine Rede sein, vielmehr heißt es im Koran: „Es sei kein Zwang im Glauben.“ (2:256)
Der Dschihad
Der oft falsch mit „Heiliger Krieg“ übersetzte Begriff Dschihad bedeutet eigentlich „Anstrengung für eine gute Sache“ (großer Dschihad im Sinne des eigenen Einsatzes für die Werte des Islam) und kann in Verbindung mit der oben beschriebenen Grundvoraussetzung auch als „Kampf, höchster Einsatz“ definiert werden – zur Verteidigung mit Waffengewalt (kleiner Dschihad), aber nach der Interpretation verschiedener muslimischer Gelehrter durchaus auch im Sinne eines gewaltfreien Kampfes. Weiters zeigen verschiedene Koranverse, dass der Humanität auch im Kriegsfall große Bedeutung zukommt (z. B. bei der Behandlung von Kriegsgefangenen, beim Umgang mit den materiellen Ressourcen der Besiegten). Schließlich wird auch öfters darauf hingewiesen, dass beim Einsatz moderner Massenvernichtungswaffen nicht mehr zwischen Kämpfenden und Unbeteiligten unterschieden werden könne und deren Einsatz deshalb verboten sei.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die islamische Lehre von Krieg und Frieden nicht wesentlich von der christlichen Theorie des „gerechten Krieges“ unterscheidet und dass auch im Islam großes Potenzial für eine Entwicklung gewaltfreier Strategien und Aktionen steckt, das allerdings vermehrt von innen und von außen gefördert und entwickelt werden muss. (ph)
Quellen
Lise J. Abid: Der Islam: Friedenspotential oder Aufruf zum „heiligen Krieg“? (abgerufen am 7.1.2018)
Center for Conflict Resolution & Reconciliation (Hg.) (2006): Bethlehem: Islam and Peace.
Mohammed Abu-Nimer (2003): Nonviolence and Peacebuilding in Islam. Florida: University Press.
Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich: www.derislam.at (abgerufen am 7.1.2018)
Muslim Peace Fellowship: www.mpfweb.org (abgerufen am 7.1.2018)
Friedenstheologie: www.friedenstheologie.de (abgerufen am 7.1.2018)
Bildquelle:
Wikipedia (abgerufen am 18.1.2021)