Hinduismus

Hinduismus, eine der ältesten Religionen der Welt, ist mindestens so vielfältig wie das Land Indien, wo die verschiedenen Formen des Hinduismus im Alltag der Menschen sehr präsent sind. Wie andere Religionen auch, gibt es im Hinduismus Lehren, die Gewalt und Krieg verurteilen und Lehren, die eine kriegerische Haltung als moralische Pflicht sehen.

Religion ist immer verknüpft mit gesellschaftlichen Bewegungen und kann selten getrennt von diesen gesehen werden. In Indien zum Beispiel spielte die hinduistische Idee Ahimsa eine gewichtige Rolle im gewaltfreien Widerstand gegen die Englische Kolonialmacht. Die andere Seite sind gewaltvolle Auseinandersetzungen zwischen Hindu-Nationalisten und Muslimen im Norden Indiens.

Ahimsa

Das Leben und Wirken Mahatma Gandhis und zugleich seine Ermordung verdeutlichen die Verhältnisse zwischen Hinduismus und Gewaltfreiheit, sowie zwischen Hinduismus und Gewalt.

Mahatma Gandhi und seine Anhänger führten auf dem Wege der Gewaltlosigkeit Indien aus der Kolonialherrschaft Englands in die Unabhängigkeit. Er glaubte bei diesem Befreiungsprozess, dass Ahimsa die größte Aufgabe ist.
Ahimsa ist eine der zentralen Idee im Hinduismus und bedeutet wörtlich Gewaltfreiheit (a = nicht, himsa = Gewalt). Für Gandhi bedeutete Gewaltfreiheit nicht Passivität, sondern ein aktives Engagement für Gewaltfreiheit und Befreiung. Ein anderer bedeutsamer Begriff, den Gandhi prägte, ist Satyagraha (satya = Wahrheit, agraha = ergreifen). Dies bedeutete für Gandhi das Streben und der Weg der Wahrheit. Satyagraha war für Gandhi der Weg des gewaltfreien Widerstands.

„Ahimsa schließt die ganze Schöpfung ein; (…) eine Kraft, die größer ist als alle anderen Kräfte zusammengenommen. Ein Mensch, der fähig ist, Ahimsa in seinem Leben auszudrücken, gebraucht damit eine Kraft, die allen rohen Naturkräften überlegen ist.
Frage: Kann sie von jedem erreicht werden?
Antwort: Gewiß, denn wäre sie nur wenigen vorbehalten, würde ich sie augenblicklich ablehnen.“
(Mahatma Gandhi, 1996, S.4)

46 - ghandiMahatma Gandhi wurde am 30. 1. 1948 von einem Hindu-Nationalisten ermordet. Dieser entstammte der höchsten Kaste – der Brahmanen – und war ursprünglich Anhänger Gandhis. Er war aber mit Gandhis gewaltlosem Widerstand nicht einverstanden und fand außerdem, dass Gandhi Pakistan und somit der muslimischen Bevölkerung zuviel zugestand. Diese Einstellungen verdeutlichen zwei Problemstellungen im Bezug auf Hinduismus und Gewalt. Erstens, das Kastensystem als strukturelle Gewaltform, wo Menschen der untersten Kaste „die Unberührbaren“ genannt werden, fast keine Rechte besitzen. Gandhi gab ihnen einen anderen Namen Harijans – Kinder Gottes. Zum anderen, die Spannungen innerhalb des Landes zwischen islamischer und hinduistischer Bevölkerungen, die eine lange Geschichte haben und bis heute im Kaschmirkonflikt andauern. Dieser Konflikt ist verwoben mit territorialen Ansprüchen, nationalistischen und religiös-fundamentalistischen Bestrebungen.

Kshatriyas – die Kriegerkaste

Die indische Mythologie des Arjunas zeigt zum einen die Bedeutung des Kastensystems und zum anderen seine Gewalt.
Arjuna zog in den Krieg als er merkte, dass seine Verwandten und Freunde auf der feindlichen Seite waren. Arjuna wollte nicht Menschen töten, die er liebte. Er wurde aber von dem Gott Krishna dazu überredet. Er sollte aus folgenden Gründen kämpfen:
– es sei seine Pflicht (sein dharma) zu kämpfen, weil er als Krieger geboren wurde; er ist als Mitglieder der Kriegerkaste geboren und die Pflicht gegenüber seiner Kaste und der göttlichen Gesellschaftsstruktur seien wichtiger als seine persönlichen Gefühle
– Gewalt habe nur Auswirkungen auf den Körper nicht aber auf die Seele; Leben und Tod seien Teil einer Illusion, was zähle sei nur das Spirituelle

Gewalteinsatz als Selbstverteidigung

In der hinduistischen Schrift Rig-Veda steht das Recht auf Gewalteinsatz für die Selbstverteidigung:

„Es mögen eure Waffen fest zum Widerstand
und haltbar auch zum Angriff sein,
Und wunderherrlich möge eure Stärke sein,
nicht die des trügerischen Manns.“

Rig Veda 1-39:2

Karma

Das Hinduistische Konzept Karma bedeutet, dass alles was ein Mensch in seinem Leben macht, wieder auf ihn zurückwirkt.
In Hinblick auf Gewalt und Krieg heißt das, dass alle Gewalt, die eine Person jemand anderem antut, in einer Form wieder auf diese Person zurückkehren wird. Für ein friedvolles Miteinander bedeutet das, wer Frieden ernten will, der säe auch Frieden.

Ebenso steht der Aufruf zu einem friedvollen Miteinander in den Schriften des Rig-Vedas (10-191: 2):
„Geht zusammen, verständiget euch!“

(cke)

Lesetipps

Emma Brunner-Traut (Hg.) (1991): Die fünf großen Weltreligionen, Freiburg/Breisgau: Herder.

Studienkreis für Tourismus und Entwicklung (2003): Hinduismus verstehen, Sympathie Magazin Nr. 54. Ammerland.

Gerhard Emmer/Hermann Mückler (Hg.) (1996): Alltagskultur in Indien, Frankfurt am Main: Verlag für Interkulturelle Kommunikation.

Quellen

Gabriel Palmer-Fernandez (Hg.) (2004): The encyclopedia of religion and war. New York: Routledge.

Mahatma Gandhi (1996): Für Pazifisten, Herausgegeben von Bharatan Kumarappa. Münster: LIT-Verlag.

BBC: hinduism and war; http://www.bbc.co.uk/religion/religions/hinduism/hinduethics/war.shtml (abgerufen am 7.1.2018)

Rig-Veda in deutscher Übersetzung: http://www.thombar.de/ (abgerufen am 7.1.2018)

Bildquelle:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gandhi_Saint-James.jpg