Religion und Krieg
Gerade in den letzten Jahren ist das Verhältnis von Religionen und Gewalt bzw. Krieg immer wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Sind Religionen von ihrem Wesen her kriegerisch, Gewalt fördernd oder zumindest rechtfertigend? Gibt es in dieser Frage Unterschiede zwischen den Weltreligionen, und wenn ja, welche? Oder haben Religionen in sich ein Frieden stiftendes Potential, das zur Überwindung von Gewalt auffordert und anleitet? Um diesen Fragen nachzugehen, sind zuerst einige Klärungen und Unterscheidungen wichtig.
Was ist Religion?
- Auf einer ersten Ebene kann man mit Religion die Erfahrungen von Menschen im Umgang mit dem Unerklärlichen, das die Grenzen des natürlichen Erkennens und Erklärens überschreitet, und mit den großen Fragen des Lebens bezeichnen („re-ligio“ als Rückbindung an etwas Göttliches). Diese Erfahrungen, die durchaus verschieden gedeutet werden können, versuchen die Menschen zu verstehen, zum Ausdruck zu bringen und in ihr Leben zu integrieren, was man auch als „Glaube“ (im Sinne von persönlichem und gemeinschaftlichem Lebensvollzug) bezeichnet.
- Eine zweite Dimension der Religion ist die „Lehre“, bestimmte Wege des Verständnisses und der Interpretation der Wirklichkeit, Denkgebäude oder Wahrheiten. In der Lehre geht es um bestimmte Inhalte, die oft in Heiligen Schriften und darauf aufbauenden Theologien dargelegt sind und ausdrücken, wie eine Religion sich selbst versteht.
- Schließlich gibt es in allen Religionen verschiedene kulturelle Ausprägungen, die z. B. abhängig von Raum (geographisch) und Zeit (historisch) sind.
Was ist Gewalt?
- Gewalt ist in diesem Zusammenhang eine menschliche Grunderfahrung, mit der jeder Mensch und die Menschheit als ganze in der Geschichte ständig konfrontiert sind. Aus diesem Grunde ist es auch normal, dass Gewalt als Thema in allen Religionen vorkommt, dass gewalttätige Ereignisse beschrieben werden und dass Erklärungen für ihr Auftreten gesucht werden. Dazu dienen z. B. sogenannte „Ursprungsmythen“ wie die biblische Schöpfungsgeschichte, nach der die Welt ursprünglich gut war, dann durch eigenes (Fehl-)Verhalten der Gewalt Raum gab und deshalb der Erlösung von Gewalt bedarf oder sie eindämmen muss. Ob das eher durch eine völlige Ablehnung von Gewalt oder durch deren Rechtfertigung in bestimmten Situationen möglich wird, ist eine der großen Fragen in allen Religionen.
- Krieg ist eine kollektive, organisierte Form von Gewalt zwischen Menschen bzw. menschlichen Gemeinschaften (Staaten, Religionsgemeinschaften, Völkern, …). Hier stellt sich die Frage, ob es aus Sicht der Religionen einen gerechten, „heiligen“ Krieg geben kann bzw. ob es Situationen gibt, in denen Krieg zumindest moralisch gerechtfertigt werden kann. Offensichtlich gelangten diverse VertreterInnen verschiedener Religionen in dieser Frage immer wieder zu unterschiedlichen Auffassungen. Einerseits rufen Religionen zu Gewaltverzicht, Nächstenliebe und friedlichem Zusammenleben auf, andererseits sind sie immer wieder Quellen und Rechtfertigungsgründe für gewalttätige Auseinandersetzungen, Kriege und Verbrechen, die auf allen Kontinenten eine Blutspur durch die Geschichte der Menschheit gezogen haben. (ph)
Lesetipps und Links
http://de.wikipedia.org/wiki/Weltreligionen (abgerufen am 7.1.2018)
http://www.zmo.de/ (abgerufen am 7.1.2018)
http://religion.orf.at/ (abgerufen am 7.1.2018)
http://en.wikipedia.org/wiki/Religion_in_Afghanistan (abgerufen am 7.1.2018)
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Terrorismus/Welcome.html (abgerufen am 7.1.2018)
Quellen
A.T. Khoury/E. Grundmann/H.-P. Müller (Hg.) (2003): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe. Freiburg/Br.: Verlag Herder.
G. Baudler (2005): Gewalt in den Weltreligionen. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft
H. Berndt (1998): Gewaltfreiheit in den Weltreligionen. Vision und Wirklichkeit, Gütersloher Verlagshaus.
René Girard (1988): Der Sündenbock. Zürich: Benziger.
Markus A. Weingardt (2007): Religion Macht Frieden. Das Friedenspotential von Religionen in politischen Gewaltkonflikten. Kohlhammer.
Stephan Leimgruber. Interreligiöses Lernen. München. Kösel 2007.
Institut für Friedenspädagogik Tübingen
Weltkonferenz der Religionen für den Frieden
Internationaler Versöhnungsbund: www.ifor.org und www.versoehnungsbund.at
Karlheinz Deschner, Milan Petrovi: Krieg der Religionen.Der ewige Kreuzzug auf dem Balkan.München: Heyne, 1999.