Ex-Jugoslawien

Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien in den 90er Jahren gelten nach wie vor als klassisches Beispiel für Kriege aufgrund ethnischer Konflikte. In der öffentlichen Wahrnehmung, in der medialen Berichterstattung hatte diese These einen gleich großen Stellenwert wie in der Begründung derjenigen nationalen Politiker, die diese Kriege vorbereitet undgeführt haben.

Am Beispiel: Ex Jugoslawien

Ethnische Ursachen

In der Tat hatten ethnische Konflikte in der konfliktreichen Geschichte dieser Region immer eine große Bedeutung, wenn es darum ging, Kriege zu führen und diese zu rechtfertigen. Die Tatsache, dass die ethnische Vermischung keine eindeutigen Grenzziehungen ermöglichte, mag genauso ein Grund dafür gewesen sein, wie die Tendenz verschiedenster innerer oder äußerer Machthaber, bestimmte ethnische Gruppen für sich einzunehmen bzw. zu diskriminieren und dadurch gegenseitige Ressentiments und Rivalitäten zu schüren. Mit besonderer Grausamkeit wurde diese Trennlinie in der Zeit des 2. Weltkrieges gezogen, als die kroatischen „Ustascha“ auf der Seite Hitler-Deutschlands und die serbischen „Tschetniks“ bzw. die „kommunistischen Partisanen“ auf Seiten des Widerstands gegeneinander kämpften. Die Versuche Marschall Titos, diese Trennung in eine gemeinsame jugoslawische Identität zu überführen, können nach den Erfahrungen der letzten Kriege als gescheitert angesehen werden.

… aber auch viele andere

Trotz dieser besonders intensiven Wahrnehmung der „ethnischen Ursachen“ ist bei genauerem Hinsehen in Frage zu stellen, ob es sich dabei um das wesentliche Kriterium für die Eskalation der jugoslawischen Kriege gehandelt hat. Auf jeden Fall kommt auch anderen „Identitätskonflikten“ große konflikterschwerende Bedeutung zu:

  • Arm gegen Reich

Der reichere Norden des Landes (Slowenien, der touristischen Teil Kroatiens in Istrien und Dalmatien) musste im Sinne eines ökonomischen Ausgleichs für die weniger entwickelten, ärmeren Regionen des Südens (Mazedonien, Kosovo) Solidarbeiträge leisten. Nicht umsonst wurden die ersten Unabhängigkeitsbestrebungen von Slowenien und Kroatien forciert.

  • Stadt gegen Land

Besonders der Krieg in Bosnien-Herzegowina gestaltete sich zunehmend als ein Kampf von weitgehend ländlich sozialisierter Bevölkerung (hauptsächlich serbisch)  gegen Menschen, die vorwiegend in urbanen Zentren wohnten (in der Mehrzahl Muslime). Die jahrelange Belagerung Sarajewos, des kulturellen und geistigen Zentrums des Landes, war dafür genauso ein Indiz wie die Zerstörung wertvoller Kulturgüter in nahezu allen Städten Bosnien-Herzegowinas.

  • Männer gegen Frauen

Der Krieg gegen die Frauen der jeweiligen gegnerischen Gruppe wurde in den Balkan-Kriegen mit besonderer Grausamkeit geführt. Massenvergewaltigungen und sexuelle Demütigungen stehen dafür genauso wie die Diskriminierung von Männern, die nicht den kriegerischen Männlichkeitsidealen entsprachen oder entsprechen wollten. Auch die unter feministischen Kriterien als fortschrittlich geltende Politik Titos konnte diesem archaischen Kampf der Geschlechter nichts entgegensetzen.

  • Kampf der Ideologien

Wie in allen Konflikten der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und deren Satellitenstaaten ging es auch in Jugoslawien um den Kampf zwischen sozialistisch/kommunistisch, nationalistisch/chauvinistisch sowie kapitalistisch/neoliberal ausgerichteten Gruppen, deren Positionierung auch mit kriegerischen und kriminellen Methoden vollzogen wurde.

  • Kampf der Religionen

Der ethnische Konflikt wurde verstärkt durch die Tatsache, dass sich die verschiedenen Religionsgemeinschaften (insbesondere die katholische und die orthodoxe Kirche sowie der Islam) von der Kriegspropaganda der jeweiligen Krieg führenden Parteien vereinnahmen ließen bzw. diese aktiv mitbetrieben. Besonders zu leiden hatten daran auch Menschen, die keiner Konfession bzw. einer minoritären Konfession angehörten. (red)

Quellen, Links und Lesetipps:

https://nenasilje.org (abgerufen am: 2.1.2018)

Melita H. Sunijic: Woher der Hass? Kroaten und Slowenen kämpfen um Selbstbestimmung. Wien, München: Amalthea Verlag, 1992

Dunja Melcic (Hg.): Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 1999.

Svein Monnesland: Land ohne Wiederkehr. Ex-Jugoslawien: Die Wurzeln des Krieges. Klagenfurt: Wieser Verlag, 1997

Milos Okuka: Eine Sprache viele Erben. Sprachpolitik als Nationalisierungsinstrumen in Ex-Jugoslawien. Klagenfurt: Wieser Verlag, 1998

DVD: No man´s land. Regie Danis Tanovic. Hrsg.: Highlight CommunicationsAG. Bosnien-Herzegowina 2001. Zu entlehnen bei: http://www.baobab.at/

Bildquelle:

http://www.apptive.com/blog/2013/11/19/black-friday-mobile-apps/ (abgerufen am: 2.1.2018)