Welche Bedeutung haben Geschlechterrollen im Afghanistankrieg?

Die Rolle der Frau in Afghanistan

Durch die Taliban hat sich besonders das Leben der Mädchen und Frauen in Afghanistan dramatisch verändert. Da die Frauen keinen Beruf ausüben dürfen, ist das Schul- und Gesundheitssystem weitgehend zusammengebrochen. Mädchen ist die Schulbildung untersagt und feierliche Anlässe, wie etwa öffentliche Hochzeiten, zu besuchen gilt ebenfalls als ein Vergehen. Kinos, Musik, Spiele, Alkohol, Rauchen, Radio und Fernsehen sind verboten.

Mitte der 1990er Jahre verpflichtete die Taliban alle Frauen zum Tragen einer Burqua. Bei den Tadschiken und den anderen Volksgruppen war diese Tradition bis dahin nicht weit verbreitet. Die Burqua- Pflicht wurde 2001 offiziell wieder aufgehoben, aber sie bleibt weiterhin die gewöhnliche Kleidung für Frauen. Einzig in Kabul gibt es Orte, an denen sich Frauen unverschleiert zeigen dürfen. Unter den Taliban war den Frauen die Berufstätigkeit verboten. Da es durch den Krieg sehr viele Witwen gab, waren diese völlig auf sich allein gestellt.

Im September 1997 verboten die Taliban den Ärzten, Frauen medizinisch zu behandeln. Patientinnen mit ansteckenden Krankheiten oder schweren Schussverletzungen bzw. Frauen, die entbinden wollten, seien sogar aus den wenig vorhandenen Kliniken, welche nur noch für Männer sind, verwiesen worden. Obwohl kein weibliches Personal mehr in den Kliniken arbeiten darf, weigern sich die afghanischen Männer zu putzen oder Wäsche zu waschen. Es gibt nur eine einzige Klinik für Frauen in Kabul und diese ist nicht mit den nötigen Dingen ausgestattet. Es fehlt an Betten und fließendem Wasser.

Nur ein Jahr später, im Juni 1998, wurde die Schließung aller privaten Mädchenschulen und aller Ausbildungszentren in der Hauptstadt Kabul angeordnet. Berichten von „amnesty international Deutschland“ zufolge werden Frauen, die laut islamischen Gerichts Ehebruch begehen, zu Tode gesteinigt. Ende 1996 wurde im Kabuler Bezirk Khair-Khana einer Frau das vordere Daumenglied abgeschnitten, weil sie Nagellack trug. Zehntausende von Frauen konnten ihre eigene Wohnung nicht mehr verlassen, weil Dekrete der Taliban es Frauen untersagten, sich eine Arbeit zu suchen, eine Ausbildung zu machen oder auch nur ohne Begleitung eines männlichen Verwandten auf die Straße zu gehen.

Eine weitere, die Frauen betreffende Einschränkung, war die Schließung der hammams (öffentliche Bäder für Frauen). Außerdem durften sich Frauen während bestimmter Abschnitte des Fastenmonats Ramadan nicht auf der Straße aufhalten. Dozentinnen, Übersetzerinnen, Ärztinnen, Rechtsanwältinnen, Künstlerinnen, Schriftstellerinnen waren gezwungen, ihre Arbeit aufzugeben, und wurden dadurch gezwungen zu Hause zu bleiben. Wohnungen, in denen eine Frau lebt, müssen undurchsichtige Fenster haben, so dass sie von außen nicht gesehen werden können. Frauen müssen geräuschlose Schuhe tragen, so dass sie nicht gehört werden. Die Frauen leben in einer ständigen Angst um ihr Leben, das sie wegen jeder kleinen Missachtung der Gesetze verlieren könnten. Frauen, die keine männlichen Verwandten haben, müssen betteln oder verhungern, weil sie nicht arbeiten dürfen.

Unmittelbar nach der Regierungsübernahme durch die Taliban, nach deren Einmarsch in Kabul am 27.9.1996, geriet Afghanistan kurzfristig ins Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit. Schlagzeilen machte, die zum politischen Programm erhobene Frauenunterdrückung der Taliban.

Die Öffentlichkeit empörte sich über ihre Maßnahmen, Frauen durch Ausgehverbot, Arbeitsverbot und Schulverbot aus dem sozialen Leben auszugrenzen, sie jeglicher Rechte zu berauben und aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Von den USA über die EU-Kommission bis zu Außenminister Kinkel wurden die massiven Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Dabei blieb es auch. Die Hilferufe afghanischer Frauen werden bis heute ignoriert. Angriffsziel der Islamiten sind vor allem berufstätige Frauen und solche mit höherer Bildung. Die Entrechtung der Frauen ist zentraler Bestandteil ihrer Politik. Alle Auffassungen, die Frauen eine Rolle in Familie, Staat und Gesellschaft zubilligen, werden als unislamisch verfolgt. Als erstes hoben die Islamiten nach ihrer Machtübernahme somit die fortschrittlichen Frauengesetze auf. Der Gleichheitsgrundsatz wurde gestrichen, ebenso das Recht auf Bildung und Arbeit für Frauen. Unverzüglich wurden die Frauen aus dem öffentlichen Dienst entfernt.

Ungefähr zwei Jahre nach der Machtübernahme der Islamiten wurde die Fatwah zur Frauenfrage – das ist ein Verhaltenskodex für Frauen – erlassen. In dieser Fatwah wird Bildung und Alphabetisierung von Frauen als Quelle der Verführung und Verworfenheit bezeichnet, und festgestellt: für eine Frau bestehe keine Notwendigkeit, das Haus zum Zweck des Erwerbs zu verlassen. Nur unter Einhaltung von 16 Bedingungen – die sich vor allem auf Kleidung und auf ihr Verhalten beziehen – darf sie dies überhaupt. Dazu zählt die Genehmigung ihres Mannes und die Begleitung eines männlichen Verwandten; sie darf keinen fremden Menschen anschauen und nur aus zwingenden Gründen mit ihm sprechen.

Frauen, die sich vermeintlich nicht an die Vorschriften halten, werden als „vogelfrei“ erklärt. Jeder Gläubige, der meint, eine Frau verstoße z.B. gegen Kleidervorschriften, hat völlig freie Hand, sie zu züchtigen bis zum Tod. Für Frauen ohne Mann – Witwen oder allein stehende Frauen – werden die Gebote der Taliban zur tödlichen Gefahr, da sie jeder Lebensgrundlage beraubt sind: Sie verfügen über keinerlei Einkommen, keinen Ernährer, und dürfen das Haus nicht einmal zum Einkaufen verlassen. Vielen Frauen droht deshalb der Hungertod.

Der Status der Frauen in einer Gesellschaft lässt sich unter anderem an den Kriterien Müttersterblichkeit, Geburtenrate, Analphabetenrate und Kindersterblichkeit messen. In allen Punkten hält Afghanistan den negativen Weltrekord. Wer in Afghanistan als Frau zur Welt kommt, wird mit weit größerer Wahrscheinlichkeit in Armut und Elend leben als ein Mann. Vollkommen am Rand der Gesellschaft sind allein stehende Frauen oder Frauen ohne Ehemann. Sie haben das niedrigste Einkommen und erkranken statistisch am häufigsten von allen Bevölkerungsgruppen.

Durch die mangelhafte Ernährung, schlechter hygienischer Zustände und wegen dem Bürgerkrieg kollabierte das Gesundheitssystem. Darum ist es kein Wunder, dass die Lebenserwartung der afghanischen Frauen kaum 47 Jahre beträgt. Die Kindersterblichkeitsrate ist die höchste der Welt. Bei der Geburt sterben 165 von 100 bzw. kurz nach der Geburt 279 von 1.000 Kindern. Aber auch die Müttersterblichkeitsrate ist sehr hoch, etwa 1.600 Mütter sterben bei 100.000 Geburten. Eine Ursache in der hohen Müttersterblichkeit liegt darin, dass Männer ihre Frauen nicht allein zu den Gesundheitsstationen gehen lassen. Die Männer verweigern dazu die Erlaubnis, weil sie sich vor Angriffen und Verleumdungen von Fundamentalisten fürchten oder weil sie es ihrem eigenen Ehrgefühl nicht vereinbaren.

Verbote, Gebote sowie Strafen für Frauen unter der Taliban:

1. Frauen dürfen keinem Beruf nachgehen, dürfen nur im Haus arbeiten.
2. Frauen dürfen außerhalb ihres Hauses nur mit Begleitung eines ,,Mahram“ (naher männlicher Verwandter wie Vater, Bruder, Ehemann) Aktivitäten nachgehen.
3. Frauen dürfen mit keinem männlichen Verkäufer verhandeln.
4. Frauen dürfen sich von männlichen Ärzten nicht behandeln lassen.
5. Frauen ist der Besuch von Bildungseinrichtungen (Schulen, Universitäten…) untersagt. (Die Taliban haben Mädchenschulen als Seminarorte für religiöse Zwecke umgewandelt.)
6. Frauen müssen einen langen Schleier (Burqua) tragen, der sie vom Kopf bis zu den Zehen einhüllt. Sie dürfen selbst unter der Burqua keine weiten Hosen tragen.
7. Frauen dürfen nur mit Männern sprechen, die ,,Mahram“ sind.
8. Frauen dürfen nur den ,,Mahram“ die Hand geben und keinen anderen Männern.
9. Frauen dürfen nicht laut lachen (Kein Fremder soll die Stimme der Frau hören).
10. Frauen dürfen keine Stöckelschuhe tragen, welche beim Gehen Geräusche verursachen können (Ein Mann darf die Schritte einer Frau nicht hören.)
11. Frauen ohne ,,Mahram“ dürfen kein Taxi benutzen.
12. Frauen dürfen in den Kommunikationsmedien (Film, Funk, Fernsehen) nicht auftreten.
Frauen dürfen nicht abgebildet (Zeitungen, Bücher…) werden (fotografiert, gezeichnet…)
13. Frauen dürfen weder einen Sport betreiben, noch einen Sportclub betreten.
14. Frauen dürfen selbst in Begleitung eines ,,Mahram“ weder Fahrrad noch ein Motorrad benutzen.
15. Frauen dürfen keine farbenfrohe Kleidung tragen, da sie sonst sexuell anziehend wirken.
16. Frauennamen in öffentlichen Bezeichnungen müssen verschwinden (Ein Platz in Kabul namens ,,Frauengarten“ wurde umbenannt in ,,Frühlingsgarten“)
17. Frauen dürfen sich nicht auf dem Balkon aufhalten.
18. Frauen dürfen nicht aus einem Fenster schauen (Alle Fenster müssen bemalt werden.)
19. Frauen dürfen nicht in öffentliche Bäder gehen.
20. Frauen dürfen sich nicht von einem Schneider abmessen lassen. Auch das Nähen von Frauenkleidern ist für Schneider verboten.
21. Frauen und Männer müssen in verschiedenen Bussen reisen.
Öffentliche Busse müssen mit der Aufschrift ,,Nur für Männer/Nur für Frauen“ gekennzeichnet werden!

Strafen für Frauen:

1. Frauen, die gegen die Kleiderordnung verstoßen oder ohne Mahram unterwegs sind, werden körperlich (geschlagen, ausgepeitscht,…) und verbal misshandelt.
2. Frauen, die ihre Fußgelenke nicht bedeckt haben, werden öffentlich ausgepeitscht.
3. Frauen, die vermutlich außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt haben, werden gesteinigt.
4. Frauen, deren Fingernägel lackiert sind, werden die Finger abgeschnitten.

Diese oben angeführten Verbote und Strafen sind nur ein kleiner Überblick in das Leben der Frau. Sie werden schlechter behandelt als Tiere. In der Tat ist es illegal die Tiere in Käfigen einzusperren, aber sie halten die Frauen in ihren Häusern fest. Die Taliban sehen die Frauen nur als Kindergebärende, als Befriedigung männlicher sexueller Bedürfnisse und als Hausfrauen.

Gewalt gegen Frauen:

In einigen Regionen sind Frauen der Meinung, dass die Unsicherheit und das Risiko, vergewaltigt zu werden, heute größer sind als noch während der Taliban-Herrschaft. Vergewaltigungen werden weiterhin dazu genutzt die Frauen zu unterdrücken, trotz der Zusicherung der Regierung, die Rechte der Frauen zu schützen. Außerdem sind erzwungene Heirat, Frauen- und Mädchenhandel weit verbreitet. „Auch nach dem Ende des Taliban-Regimes durchdringt die Gewalt gegen Frauen und Mädchen die ganze afghanische Gesellschaft“, sagte Verena Harpe, Afghanistan-Expertin von „Amnesty International“. Hauptverantwortlich für die Gewalt gegen Mädchen und Frauen sind Ehemänner, Brüder und Väter. Aber auch beim Staat finden entführte, misshandelte, vergewaltigte Frauen nur selten Hilfe. Wenn sie vor der Gewalt fliehen, werden sie von der Justiz sogar oft wie Kriminelle behandelt und bekommen keineswegs Hilfe.
Häufig können Frauen, denen sexuelle Gewalttaten angetan wurden, nicht offen darüber reden. Denn sie sind in Gefahr, sogar von ihren Angehörigen wegen ihres „unmoralischen“ Handelns getötet oder als entehrt angesehen zu werden.

Die Rolle des Mannes in Afghanistan

Aber nicht nur für Frauen, sondern auch für die männliche afghanische Bevölkerung sind Verbote, Geboten und Strafen verordnet worden.

– Verbot von Musik, Fernsehen, Videos, Filme und mit Tauben/Vögeln zu spielen (unislamisch)
– Befehl nichtislamische Namen in Islamische umzuändern
– Kontrolle von Haarschnitt und Bartwuchs der Männer
– Kleiderordnung: Turban tragen („kein Turban, keine Bildung“)
-Studenten müssen einen Turban tragen.
– Läden, deren Besitzer nicht regelmäßig in die Moschee gehen, werden geschlossen
– Auspeitschung als Bestrafung für kleinere Vergehen
– Dieben werden Hände und Füße abgehackt
– Homosexuelle werden lebendig begraben.
– Mörder werden von Verwandten des Opfers exekutiert.
– Sportzuschauer müssen beim Anfeuern „Allah-o-Akbar“ (Gott ist groß) zurufen und mit den Händen klatschen.
– Bei „unislamischem Verhalten“ oder Nichtbeachtung der frauenfeindlichen Bestimmungen werden die Menschen verhaftet und geschlagen
– Taxifahrer werden in der Öffentlichkeit geschlagen, wenn sie Frauen sowie Ladenbesitzer, die ihre Ware an Frauen verkaufen und auch Lehrer, die Kindern Englisch lernen, befördern.

 

Gebote, Verbote und Strafen für alle Menschen in Afghanistan

Gebote und Verbote:

1. Allen Personen ist es verboten, Musik zu hören oder Filme anzuschauen.
2. Allen Personen ist es verboten, das traditionelle Neujahrsfest (Nowroz) am 21. März zu feiern (Die Taliban haben diesen Feiertag als ,,unislamisch“ deklariert.“)
3. Allen Personen ist es verboten den Internationalen Tag der Arbeit (1. Mai) zu feiern, weil er als ,,kommunistischer“ Feiertag angesehen wird.
4. Alle Personen müssen einen islamischen Namen tragen.
5. Die afghanische Jugend muss eine bestimmte Frisur tragen.
6. Alle Personen müssen fünf Mal pro Tag die Moscheen zum Gebet aufsuchen.
7. Nichtmuslimische Minderheiten müssen sich einen gelben Stoffflecken an die Kleidung heften, damit sie von der muslimischen Mehrheit unterschieden werden können.

Strafen:

1. Personen, die Tauben halten oder mit Vögeln spielen, werden eingekerkert. Die Vögel werden getötet.
2. Personen, die Drachen steigen lassen, werden ebenso eingekerkert.
3. Personen, die im Besitz von verbotener Literatur sind, werden exekutiert.
4. Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, werden exekutiert.

Dieser Text entstand im Rahmen des Schulprojektes „WhyWar.at-Afghanistan “ im Sommersemster 2008 und wurde von folgenden SchülerInnen gestaltet:
Laura Fasching, Linda Hillinger, Mira Leiter, Claudia Rainer, Brigitte Seifriedsberger, Monalisa Stanonik, Annalena Stolzlechner, Sabrina Wendtner
Begleitung und Bearbeitung: Barbara Rodinger

Quellen:

  • Frauennews – das Frauen e -zine. http://www.frauennews.de (abgerufen am 1. 7. 2008)
  • amnestyinternational Deutschland. http://www.amnesty.de/ (abgerufen am 7.1.2018)
  • Humanistische Aktion. http://www.humanistische-aktion.de (abgerufen am7.1.2018)
  • Spenlingwimmer, Bernd: Der gesellschaftliche und politsche Wandel in Algerien, Afghanistan und Iran unter besonderer Berücksichtigung von Frauenbildern. (Diplomarbeit)
  • Revolutionary Association of the Women of Afghanistan (RAWA): Einige der Einschränkungen, die von den Taliban über Frauen in Afghanistan verhängt worden sind. http://www.rawa.org/rules_de.htm (abgerufen am 7.1.2018)