Desinformation & Social Media
Am Beispiel:
Auf Social Media werden (vermeintliche) Informationen über Konflikte in Echtzeit verbreitet. Ereignisse können von User*innen dokumentiert und geteilt werden – unabhängig ob es sich dabei um professionelle Journalist*innen, Bürger*innen oder Influencer*innen handelt. Im Vergleich zu traditionellen Medien und professionellem Journalismus werden die Nachrichten von verschiedenen Akteur*innen oft schneller, jedoch manchmal auch ungefiltert, nicht aufbereitet oder in verfälschter Weise verbreitet. Das macht es schwieriger, zwischen ‚wahren‘ und ‚falschen‘ Informationen zu unterscheiden.
Was ist Desinformation?
Social Media birgt neben all seiner chancenreichen Möglichkeiten auch das Risiko, dass Desinformation gezielt verbreitet werden können. Darunter sind Inhalte zu verstehen, die manipuliert, dekontextualisiert, bewusst falsch interpretiert, oder gar völlig frei erfunden wurden. Hinter sogenannter Desinformation verbirgt sich der Zweck, jemandem zu schaden. In Kriegskontexten steht hier oft die Absicht dahinter, Unsicherheit und Verwirrung zu stiften, Misstrauen zu schüren sowie direkt (gegnerische Konfliktpartei) oder indirekt beteiligte Akteure (z.B. Teile der internationalen Gemeinschaft) zu täuschen. Diese ‚falschen‘ Informationen bewegen sich thematisch oft in bereits aufgeladenen Spannungsfeldern: Zum Teil werden gesellschaftliche Konfliktbereiche thematisiert, um diese damit weiter zu verstärken. Daher zählt Desinformation zu den Mitteln von Informationsangriffen in der modernen Kriegsführung. Doch wie werden solche Inhalte auf Social Media verbreitet?
Wie wird Desinformation verbreitet?
Hinter der Verbreitung von Desinformation stehen oft Akteur*innen, die ein Interesse daran haben, andere im großen Stil zu täuschen – zum Beispiel eine Partei im Rahmen eines aktuellen Konfliktes. Desinformation ist kein neues Phänomen. Soziale Medien haben jedoch die Möglichkeiten ihrer Verbreitung erheblich verstärkt. Zudem ist es schwer, ‘falsche’ Inhalte sowie die Akteur*innen, die sie verbreiten, als solche zu erkennen: Denn neben Influencer*innen, die manchmal im eigenen oder fremden Auftrag handeln, werden auch Troll-Factories oder Bots eingesetzt, um die Zielgruppen von Desinformationskampagnen zu erreichen (NATO, 2023). Troll-Factories sind Unternehmen, die mittels Fake-Profilen Beiträge im Interesse der Auftraggeber*innen veröffentlichen. Bots sind Programme, die automatisierte Nachrichten verschicken, etwa in Reaktion auf ein auftauchendes Keyword. Bots und Fake-Profile werden mittlerweile von Social-Media-Plattformen leichter erkannt und gelöscht. Daher werden zunehmend Influencer*innen, die im Alltag vieler User*innen als authentische, nahbare Personen eine wichtige Rolle spielen, in Desinformationskampagnen eingebettet.
Ein Beispiel: Die Rolle von Influencer*innen bei der Verbreitung von Desinformation
Influencer*innen und Content Creator*innen sind nicht mehr nur für unternehmerische Kommunikations- und Marketingstrategien relevant. Auch im politischen Informationsbereich sind sie immer mehr gefragt.
In einer Studie der Kommission für Jugendmedienschutz aus dem Jahr 2020 wurde festgestellt, dass Influencer*innen bei der Verbreitung von als Desinformation einzustufenden Inhalten eine wichtige Rolle spielen. Hierbei transportiert ihr Content oft eine verharmlosende oder verherrlichende Botschaft in Bezug auf Gewalt und Kriege.
Zum Teil nutzen (politische) Influencer*innen ihre Reichweite, um im Auftrag politischer Akteure Content zu verbreiten. Andere hingegen nutzen Desinformation, um aus eigenem Antrieb authentisch ihre Weltsicht zu erklären und die User*innen davon zu überzeugen. Hierbei besteht das Risiko, dass sie – ob bewusst oder unbewusst – Desinformationskampagnen verstärken. Generell muss aber beachtet werden, dass weder alle Influencer*innen politische Zwecke verfolgen, noch stets absichtlich Desinformationen nutzen, denn auch sie können sich in ihrem Wahrheitsgehalt irren.
Seit dem Ukraine Krieg kamen allerdings zunehmend Fälle auf, in denen Influencer*innen als authentisch wirkende Personen gezielt und strategisch Desinformation verbreiten. Einige von ihnen inszenieren sich als unabhängige Journalist*innen, die live aus dem Kriegsgeschehen berichten. Oft vermischen sie Alltägliches mit ideologischen Elementen und falschen Nachrichten. Denn im Rahmen ihrer Berichterstattung folgen nur die wenigsten den Vorgaben einer professionellen journalistischen Arbeitsweise. Sie treten authentisch und charismatisch auf, teilen zugleich jedoch schwerwiegende Eindrücke und “Informationen” aus dem Kriegsgeschehen. Dabei wählen sie bewusst den Stil ihrer Ansprache: Oft ist dieser eher einseitig-unsachlich, dramatisiert die abgebildeten Ereignisse und bietet zugleich eine alternative, vermeintlich ‘wahre’ Perspektive an, die jedoch den Tatsachen widerspricht.
Chancen & Grenzen
Desinformation stellt insofern ein Risiko dar, als dass sie vor allem bei Menschen, die sich größtenteils auf Social Media über das Weltgeschehen informieren, eine große Reichweite erzielen und damit zur Entstehung verzerrter Bilder über Konflikte beitragen. Für User*innen ist Desinformation in der eigenen Medienumgebung schwer zu identifizieren: Bei einer ohnehin schon großen Informationsflut in Sozialen Medien ist es schwierig, zwischen wahren und falschen Informationen zu unterscheiden. Zeitgleich können Medieninhalte (z.B. Bilder, Videos/Reels) beliebig bearbeitet werden, was es oft nicht nur schwerer macht den abgebildeten Content, sondern auch den dahinterstehenden Akteur und dessen Intention einzuordnen und nachzuvollziehen.
Social Media kann jedoch auch eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Desinformation spielen: Verschiedene Akteur*innen (Influencer*innen, Journalist*innen, NGOs etc.) können spezialisiertes Wissen zu Desinformation teilen und aufzeigen, wie man manipulierte Informationen erkennen kann. So können sie uns dabei helfen, einen sicheren Umgang mit Quellen zu entwickeln. Zudem können wir neben Social Media weitere, vielfältige Informationsquellen nutzen, um uns über das Weltgeschehen zu informieren.
Weiterführende Links
TikTok: Falsche Informationen, Kriegspropaganda und wie man sie erkennt – Bundeszentrale für politische Bildung (abgerufen am 29.01.2024)
Wie Influencer*innen Desinformation verbreiten: Das Beispiel Alina Lipp (abgerufen am 29.01.2024)
Kann Social Media Frieden fördern? Ein Beitrag von Simone Bunse zum Thema “Wie die Sozialen Medien zum Frieden beitragen können” (abgerufen am 05.04.2024)
Hilfreiche Tools
Erfahre, wie du Videocontent besser verstehen lernen kannst mit dem TikTok-Content-Check der Amadeu Antonio Stiftung. Wenn es dir schwer fällt, den gesehenen Content einzuordnen und du gerne darüber sprechen möchtest, findest du ihre Ansprechpartner*innen auch direkt auf TikTok! (abgerufen am 29.01.2024)
Beim Faktencheck von CORRECTIV kannst du nachsehen, wie professionelle Journalist*innen aktuell zirkulierende Ereignisse beurteilen (abgerufen am 29.01.2024)
Die Faktencheck-Sammlung der APA (Austria Presse Agentur): Hier findest du Links zu aktuellen Falsch-Informationen und deren Richtigstellung
Quellen
Aspen Institute Germany. (2024). Desinformation und die Rolle von Influencer*innen in Zeiten des Konflikts. Abgerufen am 30. Januar 2024 von Aspen Institute Germany: https://www.aspeninstitute.de/de/digital-programm/digitalisierung-und-demokratie/desinformation-und-die-rolle-von-influencerinnen-in-zeiten-des-konflikts/kjm. (2021). Schwerpunktanalyse 2020. „Alternative Medien und Influencer als Multiplikatoren von Hass, Desinformation und Verschwörungstheorien“. Abgerufen am 30. Januar 2024 von https://www.kjm-online.de/fileadmin/user_upload/KJM/Publikationen/Studien_Gutachten/Schwerpunktanalyse_2020_Alternative_Medien_Ergebnisse.pdf
NATO. (2023). MEDIA – (DIS)INFORMATON – SECURITY. Abgerufen am 23. Januar 2024 von https://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/2020/5/pdf/2005-deepportal4-information-warfare.pdf
Rühl, W.-D. (2017). Measuring Fake News- Die Methode. (stiftung neue verantwortung e.V., Hrsg.) Berlin. Abgerufen am 22. Januar 2024 von https://www.stiftung-nv.de/sites/default/files/fake_news_methodenpapier_deutsch.pdf
Schulze, M. (2019). Desinformation: Vom Kalten Krieg zum Informationszeitalter. Abgerufen am 22. Januar 2024 von bpb: Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/digitale-desinformation/290487/desinformation-vom-kalten-krieg-zum-informationszeitalter/
weitklick. (2023). Von Katzen und Kriegen: DIe Verbreitung von Desinformation durch Influencer*innen. Abgerufen am 30. Januar 2024 von weitklick. Das Netzwerk für digitale Medien- und Meinungsbildung: https://www.weitklick.de/blog/von-katzen-und-kriegen-die-verbreitung-von-desinformation-durch-influencerinnen