Politik für den Frieden?

Gemeinsam mit dem Internationalen Versöhnungsbund – Österreichischer Zweig haben die Österreichische Friedensdiensste (ÖFD) im Vorfeld der Nationalratswahl 2008 einen Fragebogen an die SpitzenkandidatInnen und die Entwicklungs- und SicherheitssprecherInnen aller bundesweit kandidierenden Parteien verschickt. Darin wollten man wissen, in welcher Weise sich die jeweiligen Parteien für Methoden gewaltfreier Konfliktbearbeitung einsetzen, was dabei ihre Zielsetzungen sind und inwiefern sie sich bisher auf diesem Gebiet engagiert haben.

Antworten kamen von vier der fünf im Parlament vertretenen Parteien (SPÖ, ÖVP, Grüne, BZÖ) und – als einziger „Kleinpartei“ – von der KPÖ. Das Liberale Forum und Rettet Österreich entschuldigten sich, dass sie leider nicht in der Lage seien, näher darauf einzugehen.

Die Fragen – und die Antworten.

1. Treten Sie für die Einrichtung angemessener Aus- und Fortbildungen für den Frieden und das Erlernen eines gewaltfreien, konstruktiven Umgangs mit Konflikten unter Verzicht auf Gewalt, insbesondere für Menschen in Friedenseinsätzen und in Berufen mit hohem Konfliktpotential (z.B. LehrerInnen, SozialarbeiterInnen) ein?

Die SPÖ will die „Vermittlung von Zivilcourage, Toleranz und Konfliktmanagement“ bereits in den Schulunterricht einbauen, durch modernen Geschichtsunterricht und den Ausbau des Faches „politische Bildung“.
Die ÖVP betont die bereits bestehende „spezifische österreichische Expertise“, wobei das Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung in Stadtschlaining und seine Vorbereitungskurse für TeilnehmerInnen internationaler Friedenseinsätze erwähnt werden.
Das BZÖ will Ausbildungen in diesem Bereich speziell für betroffene Berufsgruppen, wobei es neben LehrerInnen und SozialarbeiterInnen auch PolizistInnen und SoldatInnen mitgedacht wissen will.
Die Grünen weisen darauf hin, dass Gewaltfreiheit einer ihrer vier Grundsätze ist und dass sie sich bereits in der Vergangenheit für eine Ausbildung zu ziviler Konfliktlösung für Zivildiener und für eine ausreichende Dotierung von Auslandsdiensten und Friedensdiensten einsetzten.
Die KPÖ weist auf das Vorhandensein struktureller Gewalt in der Gesellschaft hin und betont, dass es wichtig sei, Menschen in sozialen und pädagogischen Berufen in die Lage zu versetzen, dem entgegen zu treten. Weiters erwähnt sie die langjährige Involvierung vieler KommunistInnen in der Friedensbewegung.

2. Treten Sie für einen in der Gesellschaft verankerten, politisch anerkannten, gesetzlich abgesicherten, staatlich finanzierten und international eingebundenen Zivilen Friedensdienst (analog zum deutschen Modell) als Instrument und österreichischen Beitrag zur zivilen Konfliktbearbeitung ein?

Die SPÖ betrachtet den Bedarf durch das derzeitige System von Zivildienst (Wehrersatzdienst) mit der Möglichkeit, diesen als Auslandszivildienst zu erfüllen, für gedeckt.
Die ÖVP und das BZÖ beziehen unsere Frage überhaupt gleich auf den Auslandszivildienst, welchen sie beibehalten wollen. Darüber hinausgehend ist offenbar nichts vorgesehen.
Die Grünen und die KPÖ wollen eine Einführung von ZFD, erstere erwähnen, dass sie den Vorschlag von Pax Christi aufgegriffen und im Parlament eingebracht hätten, die KPÖ denkt vor allem an Friedensdienst in Form von Schutz von ZivilistInnen durch internationale Präsenz.

3. Werden Sie die Neutralität als wichtigen Beitrag zu einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik statt österreichischer Unterstützung von bzw. Beteiligung an militärischen Programmen, Projekten und Einsätzen im Rahmen inter- und supra-nationaler Bündnisse und Organisationen einbringen?

Alle befragten Parteien beantworteten diese Frage mit „Ja“.
Die ÖVP will die bisherigen Beiträge Österreichs „durch Förderung von Dialog und Versöhnung sowie durch Beteiligung an internationalen Friedensoperationen“ fortführen.
Das BZÖ will Auslandseinsätze österreichischer SoldatInnen „im Einzelfall prüfen“.
Die Grünen wollen sich auf europäischer Ebene für ein neutrales Europa einsetzen, in dieser Weise soll sich das neutrale Österreich beim Aufbau einer europäischen Sicherheitsunion einbringen.
Die KPÖ setzt sich seit Jahren für die Stärkung der österreichischen Neutralität ein. Wichtig ist ihr, dass diese als „Konzept des Internationalismus und der weltweiten Verständigung und Solidarität“ verstanden und nicht für nationalistische Propaganda missbraucht wird.

4. Treten Sie für die Schaffung und den Aufbau einer Europäischen Friedensagentur bei gleichzeitigem Abbau der Verteidigungsagentur zur Koordinierung und Dotierung von Friedens- statt Rüstungsmaßnahmen, von Europäischen Friedensdiensten statt „battle groups“ ein?

Die SPÖ findet den Namen „battle groups“ unglücklich gewählt. Diese kommen ausschließlich „im Rahmen des EU-Krisenmanagements zum Einsatz“, Österreichs Beteiligung wie die der anderen neutralen EU-Staaten steht außer Frage.
Die ÖVP sieht zivile und militärische Friedensmissionen als zwei notwendige Komponenten, um „internationalen Frieden nachhaltig sichern zu können“.
Das BZÖ findet die Schaffung einer Friedensagentur „grundsätzlich ein[en] begrüssenswerte[n] Vorschlag“, hält jedoch aufgrund nicht näher erläuterter Bedrohungsszenarien den Abbau der Verteidigungsagentur und die Auflösung der Battle Groups für utopisch.
Die Grünen engagieren sich auf europäischer Ebene für die Schaffung eines European Civilian Peace Corps, eines europaweiten Koordinationsorgans für zivile Friedenseinsätze.
Die KPÖ möchte einen breiten, parlamentarischen und zivilgesellschaftlichen, Widerstand gegen die Militarisierung der EU. Besonders weist sie darauf hin, dass der „EU-Militarismus“, derzeitige Bestrebungen zu einer gemeinsamen, auch militärischen, Sicherheitspolitik, ihrer Interpretation nach gegen die österreichische Verfassung verstoßen und will neben einigen Parteien aus den ebenfalls neutralen skandinavischen Ländern auf dieser Grundlage dagegen ankämpfen.

5. Treten Sie ggf. für die Beteiligung Österreichs an der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit gemäß Artikel 42 (6) des Vertrags von Lissabon ein?

Bei diesem Artikel geht es um die militärische Zusammenarbeit und die Verpflichtung der Mitglieder der Union, ihre militärischen Kapazitäten auszubauen.
Die SPÖ betrachtet die Frage nach dem vorläufigen Scheitern des Vertrags von Lissabon als gegenstandslos.
Die ÖVP tritt „grundsätzlich für Projekte ein, die die EU-Kapazitäten für Friedensmissionen verbessern“, hält aber fest, dass es derzeit noch keine konkreten Vorschläge gebe.
Das BZÖ betrachtet den Artikel als Instrument, um „die Last von notwendig gewordenen militärischen Interventionen nicht nur einigen wenigen Staaten aufzubürden, sondern allen Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten“; dies sei „für Österreich zur Zeit kein Thema“.
Die Grünen sind gegen diesen Artikel, da damit die „Bildung eines militärischen Kerneuropas“ festgeschrieben würde. Das bedinge nicht nur eine Gefahr der Militarisierung Europas, sondern könne auch die europäische Einigung selbst gefährden.
Die KPÖ „lehnt die militärische Seite der EU ab“; diese sei, neben sozialen Verwerfungen, ein Hauptgrund für die Kritik an der Union in ihrer derzeitigen Form. Sie möchte die breite Akzeptanz der Neutralität in der Bevölkerung aufgreifen und diesem Konzept wieder mehr Inhalt geben.

6. Treten Sie für die Ausarbeitung einer Europäischen Friedensstrategie statt einer militärisch dominierten Sicherheitsstrategie ein?

Die SPÖ setzt sich „aktiv für umfassende Sicherheit, für Konfliktprävention, für Abrüstung, Krisenbewältigung und Friedenssicherung“ ein. Dazu zählen für sie „Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik aber ebenso enge internationale Zusammenarbeit bis hin zum solidarischen Engagement bei Einsätzen ziviler und militärischer Kräfte“.
Die ÖVP befindet, dass die EU im Bereich der Friedenspolitik viele Möglichkeiten habe, vor allem ziviler Natur. Besonderes Augenmerk will sie auf Konfliktprävention und die stärkere Einbindung von Themen wie Klimawandel und Entwicklung legen.
Das BZÖ begrüßt eine Friedenspolitik, kann sich diese nur im Rahmen einer umfassenderen Sicherheitspolitik vorstellen, da der Frieden ohne „entsprechende“ Mittel nicht abzusichern sei.
Die Grünen wollen eine europäische Friedensstrategie, welche dem Gründungsgedanken der Union auch besser entspreche als die derzeitige sicherheitsstrategische Ausrichtung.
Die KPÖ hebt hervor, dass sie Mitglied der europäischen Linkspartei ist, welche in einem Alternativentwurf zum derzeit diskutierten Verfassungsvertrag eine solche Friedensstrategie vorschlägt. Allerdings könne das nur mit einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz langfristig erfolgreich sein.

7. Setzen Sie sich für die vollständige Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen sowie für Maßnahmen zum Verbot bzw. der Beschränkung anderer Waffen im Rahmen bestehender oder zu schaffender internationaler Abkommen (z.B. zu Klein- und Leichtwaffen, Streubomben…) ein?

Hier betonen alle Reaktionen die Wichtigkeit eines solchen Eintretens.

 Links:

www.oefd.at

www.zfd.at

www.versoehnungsbund.at