Kritischer Konsum

Die Menge des Konsums hat sich in Österreich in den letzten 50 Jahren mindestens verfünffacht. Wir können uns heute vielmehr leisten als unsere Eltern oder Großeltern. Doch immer mehr Rohstoffe für unsere Produkte kommen aus Ländern fern ab von uns – und auch die Produkte selbst werden immer weniger bei uns erzeugt, sondern in Ländern, wo die Arbeitskräfte billiger sind, etwa in China. So wissen wir wenig über die Entstehungsbedingungen, die „Geschichte“ – oder auch den ökologischen und sozialen „Rucksack“ – unserer Produkte. Kritischer Konsum bedeutet, sich dafür zu interessieren.

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Wie weit die „Macht der KonsumentInnen“ die Politik und das Weltgeschehen beeinflussen können, wird unterschiedlich beurteilt. Die einen sehen in der„Abstimmung an der Supermarktkasse“ die zentrale Möglichkeit der BürgerInnen, in einer global vernetzten Wirtschaft Einfluss auf Unternehmen auszuüben. Der Soziologe Ulrich Beck etwa geht davon aus, dass sich internationale Konzerne immer mehr der staatlichen Kontrolle entziehen. Doch der „Entzugsmacht des Kapitals“ könne die „bislang schlummernde Entzugsmacht des Konsumenten“ gegenübergestellt werden. Aktionen kritischer KonsumentInnen können Unternehmen durchaus „zwingen“, ihre Geschäftspraktiken zu ändern. Ein bekanntes Beispiel ist der Aufruf von Greenpeace, die Firma Shell zu boykottieren, als diese eine Ölplattform in der Nordsee „entsorgen“ wollte. Immer wieder Erfolge zeigen auch Aktionen der Clean Cloth-Campaign, die sich für faire Arbeitsbedingungen in der globalisierten Textilbranche einsetzt (siehe Kapitel: Fairer Handel).

Grenzen der Konsumentenmacht

Der Wirtschaftsexperte Christian Felber warnt jedoch vor der Überbewertung der Konsumentenmacht. Für ihn gibt es durchaus sinnvolle Dinge, die wir als KonsumentInnen tun können, etwa die Bevorzugung von Produkten aus der Region, den Kauf biologischer und saisonaler Lebensmittel, den Umstieg auf fair gehandelte Produkte aus Ländern des Südens, das Achten auf langlebige Produkte, schließlich einfach das „Weniger Konsumieren“, um den Ressourcenverbrauch zu verringern. Felber sieht aber auch Grenzen: wir haben nie alle Informationen über Produkte bzw. nicht die Zeit, uns diese vor jeder Kaufentscheidung anzueignen, und es verfügten auch nicht alle über die Kaufkraft, sich das „teurere ethisch korrekte Produkt zu kaufen.“

Wichtig ist nach Felber daher, dass die politischen Strukturen geändert werden. Nur so könne ökologisch und faires Produzieren für alle zur Pflicht wrden. Gefordert seien wir in unserer „politischen Rolle“ als BürgerInnen – sozusagen als „SystembetreiberInnen“. Dafür sei es notwendig, sich mit anderen zusammenzutun, in einer politischen Gruppierung mitzuarbeiten, die sich etwa für Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen einsetzt. „Wem ernsthaft an der Veränderung gesellschaftlicher Zustände liegt, der oder die wird nicht umhinkommen, sich mit anderen zusammenzuschließen.“

Aneignung kritischer Informationen

Auch wenn wir nie über alle weltwirtschaftlichen Verflechtungen Bescheid wissen können, so ist doch die Aneignung kritischer Informationen ein wichtiger erster Schritt für einen bewussten Konsum. Überdies können Gruppen, die sich für die weltweite Durchsetzung der Menschenrechte einsetzen, unterstützt werden.

Am Beispiel: Palmöl für Kinderriegel

Die Firma Nestlé verwendet, so ein Bericht von Greenpeace, zur Herstellung der KitKat-Riegel Palmöl, das häufig aus Plantagen stammt, für die Regenwälder gerodet und Torfmoorgebiete trockengelegt wurden. Die Urwaldvernichtung beschleunigt den Klimawandel und zerstört die Heimat der vom Aussterben bedrohten Orang-Utangs.
Sowohl Nestlé selbst als auch die Händler, die die Firma mit Palmöl beliefern, sind durch Verträge mit der berüchtigten Sinar-Mas-Gruppe an der Zerstörung von Indonesiens Regenwäldern beteiligt.
Unilever, Nestlés größter Mitbewerber auf dem Lebensmittelmarkt, habe, so eine Presseaussendung von Greenpeace, seine Verträge mit der Sinar-Mas-Gruppe bereits gekündigt. Grundlage für die Entscheidung war auch das Beweismaterial eines Greenpeace-Berichtes.
Die Forderung von Greenpeace: „Auch Nestlé darf kein Palmöl von Lieferanten beziehen, die für die Zerstörung von Regenwäldern und Torfmooren verantwortlich sind! Zudem muss sich Nestlé für ein Moratorium einsetzen, das die Abholzung des indonesischen Regenwalds für den Anbau von Ölpalmen stoppt.“ Über die Homepage von Greenpeace kann ein Protestmail an Nestlé gesandt werden:http://www.greenpeace.at

(hh)

Links und Lesetipps

Oil Watch: www.oilwatch.org

Social Watch: www.social-watch.de und www.social-watch.org

Human Rights Watch: www.hrw.org/de und www.hrw.org

Rettet den Regenwald: https://www.regenwald.org/protestaktion.php?id=548

AVVAZ: www.avaaz.org/de/chevron_toxic-legacy/?vl

Greenpeace Marktcheck: http://marktcheck.greenpeace.at/index.php?id=841

Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt. Hrsg. vom Wuppertal-Institut. Frankfurt: Fischer, 2008.

Wolfgang Sachs u. a.: Slow Trade – Sound Farming. Handelsregeln für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Hrsg. v. der Heinrich-Böll-Stiftung und Misereor. Aachen, 2007

Quellen

Karl Albrecht Immel, Klaus Tränkle: Tatort Eine Welt. Wuppertal: Peter Hammer-Verlag, 2007.

Ohne Maß und Ziel. Über unseren Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde. SERI u.a. Wien, 2009.

http://de.wikipedia.org/wiki/Royal_Dutch_Shell

Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Shopping_trolleys.jpg