Gewaltfreiheit

Beim Konzept der aktiven Gewaltfreiheit handelt es sich nicht nur um eine Methode, sondern um eine Grundhaltung. Darunter wird verstanden, dass man Gewalt ablehnt und sie nicht anwendet, darüber hinaus aber auch aktiv an einer gewaltfreien Lösung von Konflikten arbeitet.

Die beiden grundlegenden Voraussetzungen für Gewaltfreiheit liegen in der Anerkennung der Würde und des Lebens jedes Menschen sowie im Vertrauen darauf, dass jede/r ein veränderbares Gewissen besitzt und sich der Kraft der Gewaltfreiheit öffnen kann. Zur Beschreibung dieser gewaltfreien Grundhaltung gibt es verschiedene prägende Begriffe – Gandhi nannte sie satyagraha – „Festhalten an der Wahrheit“, Martin Luther King sprach von der „Kraft zum Lieben“, ein neuerer Ansatz spricht von Gütekraft.

Gewalt wird im Rahmen des Konzepts der Gewaltfreiheit in unterschiedlichen Dimensionen begriffen: die direkte und sichtbare Form von körperlicher und verbaler Gewalt, bei der der/die TäterIn benannt werden kann, ist ebenso gemeint wie die „unsichtbaren“ Formen kultureller und struktureller Gewalt. Kulturelle Gewalt liegt in der Rechtfertigung der beiden anderen Formen, strukturelle Gewalt ist in den (ungerechten) Strukturen eines Systems angelegt.
Bei aktiver Gewaltfreiheit geht es darum, Wege zu einem friedlichen und gerechten Miteinander zu finden – und diese Wege sollen selbst friedlich und gerecht sein. Grundhaltung, Mittel und Ziel stimmen also überein, beruhend auf der Überzeugung, dass Gewalt nicht durch Gewalt überwunden werden kann. Bei gewaltfreiem Handeln geht es daher um die Durchbrechung der Spirale der Gewalt. Es richtet sich gegen ein Unrecht, nicht gegen Personen, und zielt nicht auf einen Sieg über den/die GegnerIn ab, sondern auf eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung eines Konflikts und die Beseitigung von Gewalt und Unrecht. Die Konsequenzen dieses Handelns werden auf sich genommen und niemand anderem aufgebürdet.

Berühmte gewaltfreie AkteurInnen, die durch ihr Handeln große Veränderungen herbeigeführt haben, sind zum Beispiel Mahatma Gandhi und Martin Luther King. Ihre Überzeugung und Motivation beruhte, wie bei vielen anderen, auf ihrem Glauben bzw. ihrer Spiritualität. Aber auch eine humanistische Grundeinstellung kann die Basis für Gewaltfreiheit als Lebenshaltung darstellen. In jedem Fall wird Gewaltfreiheit als aktive Kraft gesehen, die zunächst negativ besetzte Gefühle wie Angst, Trauer etc. kreativ umwandeln kann.

Gewaltfreie Methoden zeigen aber nicht nur Ungerechtigkeiten auf – ein wichtiger Aspekt im Konzept der Gewaltfreiheit liegt auch im Aufbau von Alternativen zu den kritisierten Zuständen. Gelebte Gegenmodelle sollen Beispiel und Orientierung bieten und Wege zur Möglichkeit eines würdevollen Lebens für alle Menschen und der Bewahrung der Umwelt als Lebensgrundlage aufzeigen. (vg)

Links und Lesetipps

Bund für Soziale Verteidigung (abgerufen am 11.05.18)

Friedenskooperative (abgerufen am 11.05.18)

Internationaler Versöhnungsbund (abgerufen am 11.05.18)

Peace Counts (abgerufen am 11.05.18)

Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden (abgerufen am 11.05.18)

Richard Deats (2001): Martin Luther King. Traum und Tat. München: Verlag Neue Stadt.

Johan Galtung (1995): Kein Zweifel: Gewaltlosigkeit funktioniert! Wirkungsweise und Aktualität gewaltlosen Widerstands. o.O.: Werkstatt für Gewaltfreie Aktion.

Mahatma Gandhi (1983) : Mein Leben. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Hildegard Goss-Mayr (2007) : Wie Feinde Freunde werden. Mein Leben mit Jean Goss für Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Versöhnung. o.O.: Lit-Verlag.

Pete Hämmerle, Thomas Roithner (Hg.) (2003): Dem Rad in die Speichen fallen. Stimmen von FriedensnobelpreisträgerInnen und das österreichische Netzwerk für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit. Wien: Verlag Thomas Roithner.

DVD: America Latina: Lebensmut und Widerstand in Brasilien, Peru, Honduras und Kolumbien. 180min, BAOBAB/Filme für eine Welt 2006. Zu entlehnen bei www.baobab.at

Quellen

Pete Hämmerle (2004): Aktive Gewaltfreiheit im gesellschaftlich-politischen Bereich. In: ÖSFK (Hg.): Schurkenstaat und Staatsterrorismus. Die Konturen einer militärischen Globalisierung. Dialog, Bd. 44.

Internationaler Versöhnungsbund/Österreichischer Zweig (2006): Gewaltfrei handeln. Informationen, Impulse und Methoden. Broschüre.

www.friedenspaedagogik.de/themen/zivilcourage/grundlagen (abgerufen am 11.05.18)