Burundi
Politische Mediation und Convocation
Um den Konflikt in Burundi zu verstehen, ist es notwendig, die unterschiedlichen Unabhängigkeitsprozesse in Ruanda und in Burundi sowie die politischen Krisen dieser beiden unabhängigen Staaten anzusehen. Ruanda wurde unabhängig infolge der sogenannten Hutu-Revolution im Jahre 1959, in dessen Folge das Tutsi-Königreich gestürzt und ein Großteil der Tutsi-Bevölkerung ermordet wurde oder ins Exil in die Nachbarländer (Burundi, DR Kongo, Tansania, Uganda) fliehen konnte.
Der Unabhängigkeitsprozess in Burundi verlief vor ganz anderen Voraussetzungen: Die politischen Eliten förderte die Machtteilung zwischen den Volksgruppen der Hutu und der Tutsi. Mit einer ähnlichen Bevölkerungsstruktur wie in Ruanda (einer Hutu-Mehrheit und einer Tutsi- und Twa-Minderheit) wurde es jedoch immer schwerer, diesen Weg in einen modernen interethnischen Staat weiterzuführen. Teile der Hutu-Elite orientierten sich am Modell in Ruanda, das ihnen ermöglichte, die Macht zu erhalten, während gerade das die Tutsi-Minderheit befürchtete.
Der Konflikt eskalierte im Oktober 1993, als bei einem Putschversuch der erste gewählte Hutu-Präsident Melchior Ndadaye von einer Gruppe von Tutsi-SoldatInnen ermordet wurde. Es folgte ein Bürgerkrieg zwischen zahlreichen Hutu-RebellInnen und der burundischen Armee, wobei es sich als schwierig erwies, den Konfliktgegenstand von den Folgen der politischen Gewalt zu unterscheiden. Was für die eine Partei die Ursache war, wurde von der anderen als Wirkung gesehen. Nachdem es verabsäumt wurde, die Gewalteskalation durch eine Intervention von außen zu stoppen, erweiterte sich dieser „Konflikt über den Konflikt“ immer mehr zum „Konflikt über die Konfliktlösung“.
Die Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien verliefen auf zwei Schienen: ein interner Dialogprozess wurde zwischen 1996 und 1998 von der damaligen Regierung unternommen; dieser beruhte auf der Abhaltung von Seminaren sowie auf informellen Kontakten zwischen den Mitgliedern der jeweiligen politischen Führung. Dieser Prozess trug zu einer Annäherung zwischen den politische Parteien bzw. den ethnischen Gruppen und zur Entspannung der politischen Situation bei. Ein Teilerfolg lag außerdem in der Unterzeichnung einer Übergangsverfassung am 8. Juni 1998, wobei die Teilung der Macht zwischen den ethno-politischen Parteien entschieden wurde.
Der externe Friedensprozess bestand aus informellen Verhandlungen zwischen 1995 und 1997; dieser trug dazu bei, das Eis zwischen den Konfliktparteien zu brechen und die Übereinstimmung zwischen den politischen Parteien und den bewaffneten Gruppen zu finden, die erst deren Teilnahme an den Verhandlungen ermöglichte.
Die Friedensverhandlungen begannen mit den Verhandlungsetappen vom 15. bis 20. Juni 1998 unter der Führung von Julius Nyerere, dem ehemaligen Präsidenten von Tansania (1963–1995). Die Voraussetzungen für zielführende Verhandlungen waren jedoch zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise erfüllt: einerseits durch die Abwesenheit von Konfliktparteien, andererseits durch das Nicht-Zustandekommen eines Waffenstillstandes. Diese Stagnation führte zu einer politischen und wirtschaftlichen Isolierung des Landes durch die Nachbarländer.
Nach dem Tod Nyereres im Oktober 1999 übernahm Nelson Mandela die Vermittlungsrolle mit dem Ziel, den Verhandlungsprozess, der nunmehr drei Jahre gedauert hatte, zu einem Abschluss zu bringen. Die Verhandlungsform beruhte auf der Methode der „Convocation“ („Einberufung“, „Vorladung“), wobei Druck auf die Konfliktparteien, die regionalen Mächte und die internationale Gemeinschaft ausgeübt wurde, an dem Prozess teilzunehmen, um ein Friedensabkommen so rasch wie möglich zu unterzeichnen und seine Umsetzung in Burundi durchzuführen.
Die Verhandlungen in Arusha (Tansania) liefen nach der Methode des „fractionating issues“: Die Konfliktparteien beschäftigten sich in vier Kommissionen mit der Natur des Konflikts, der Entwicklung und dem Wiederaufbau, der Verteidigung und der Sicherheit und der Durchführung des Friedensabkommens. Am 28. August 2000 wurde das „Arusha Abkommen für Friede und Versöhnung in Burundi“ unterzeichnet – mit dem Anspruch, alle Dimensionen des politisch-ethnischen Konflikts in Burundi zu behandeln. Dies stellt eine wichtige Etappe in der Entschärfung und Lösung der burundischen Krise dar: was blieb, war noch die Durchführung eines allgemeinen Waffenstillstandes mit den übrigen Rebellengruppen und das Problem, dass sich viele Kleinwaffen noch im Umlauf befanden und sich das Land in einer sozialen und wirtschaftlichen Krise befand.
Seit August 2005 wird Burundi durch demokratisch legitimierte Institutionen geführt (Präsidentschaft, Parlament, Gemeindräte), wobei alle ethno-politischen Parteien einbezogen werden und die gegenseitige Akzeptanz und das Vertrauen zwischen den Volksgruppen relativ groß geworden sind.
Im April 2009 legte die letzte offizielle Rebellenbewegung die Waffen nieder. Im Jahr darauf fanden die zweiten Gemeinde-, Präsidentschafts-, Senats- und Parlamentswahlen statt, die allerdings von der Opposition nicht anerkannt wurden. Nach der umstrittenen Wiederwahl des Präsidenten Pierre Nkurunzizas im Juli 2015, begleitet von einer sich verschärfenden sozioökonomischen Krise, kam es erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. In Folge sind mehr als 150.000 Menschen aus Burundi in die Nachbarländer geflohen.
Am 2. März 2016 wurde der ehemalige tansanische Präsident Benjamin M kapa, der unter anderem Teil der Gruppe war, welche die Unterzeichnungen des Arusha-Abkommens leitete, von der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) zum Vermittler für Burundi ernannt.
Bisherige Friedensgespräche kamen noch zu keinem Ergebnis. Ein Grund dafür liegt unter anderem darin, dass sich die Regierung bis zuletzt weigerte mit der Opposition zu verhandeln (Stand Dezember 2017).
(red)
Links und Lesetipps
Deutsche Welle: Burundi (abgerufen am 13.02.2018)
Frankfurter Allgemeine (FAZ): Burundi – Artikel (abgerufen am 13.02.2018)
Heinrich Böll Stiftung: Burundi – Politische Situation und Friedensaussicht (abgerufen am 13.02.2018)
LIP-Portal: Burundi (Geschichte&Staat, Wirtschaft&Entwicklung, Gesellschaft, Alltag) (abgerufen am 13.02.2018)
Quellen:
Laubacher-Kubat, Erika (2000): Einmischung für den Frieden: Prävention und Bearbeitung ethnopolitischer Konflikte, Chur: Rüegger
Seitz, Stephan (1989): Historische Wurzel der ethnischen Spannungen in Burundi; in Afrika-Jahrbuch 1988, S. 55–61
Asche, Helmut (1995): Ruanda – Zur Pathogenese eines Völkermordes; in Afrika Jahrbuch 1994, S. 26–38
Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ): Burundi (abgerufen am 13.02.2018)
Amnesty International: Burundi 2017 (abgerufen am 13.02.2018)
Burundi: Peace Talks (abgerufen am 22.02.2018)