Gesellschaft und Zivilisation

Kriegsfolgen für Gesellschaft und Zivilisation können sich in vielfältiger Weise äußern: In der demografischen Entwicklung einer Region, in Armut und Hunger, in der Zunahme von illegaler Prostitution und Menschenhandel, in der Beeinträchtigung des kulturellen Erbes sowie im schlimmsten Fall im Scheitern ganzer Staaten.

Demografische Veränderungen

Unter Demografie versteht man in aller Regel die Wissenschaft der Bevölkerungsentwicklung, bzw. Zusammensetzung. Wenn somit in den Medien von einem demografischen Wandel gesprochen wird, meint dieser beispielsweise die Veränderung der Altersstruktur einer Bevölkerung, hierzulande etwa den Anstieg des Durchschnittsalters der Menschen.

Zu demografischen Veränderungen und Ungleichgewichten kann es auch aufgrund von Kriegen und Konflikten kommen.

So führt die Abwanderung junger und talentierter Menschen aufgrund von Chancenlosigkeiten und Konflikten in der Heimat zu dem als „brain drain“ bekannten Phänomen. Gleichzeitig führen Kriege oft dazu, dass mittelfristige Ungleichgewichte im Verhältnis zwischen Männern und Frauen auftreten, was die weitere Bevölkerungsentwicklung beeinflussen kann. Auch die Arbeitskraft vieler VeteranInnen ist häufig aufgrund von Verletzungen und oder Traumatisierung nur noch eingeschränkt verfügbar, was ebenso wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Vor allem fällt es einer Gesellschaft aber häufig schwer, SoldatInnen nach einem längeren Krieg wieder in das normale Leben einzugliedern; die Kriminalitätsrate liegt bei diesen Menschen deshalb auch häufig höher als bei ZivilistInnen.

Armut und Hunger

Die Gewaltstruktur der Weltwirtschaft und die Globalisierung des sogenannten freien Marktes tragen viel dazu bei, dass ein Großteil der Weltbevölkerung in Armut und mit Hunger lebt. Kriege sind die Spitze dieser Gewaltstruktur. Sie bedeuten häufig ein Zusammenbruch der Volkswirtschaft eines Landes und sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich Armut und Hunger im Land ausbreiten.

Prostitution und Menschenhandel

Prostitution (lateinisch pro stituere = zur Schau stellen) – besonders im Sinne von Zwangsprostitution und Menschenhandel – ist Teil und Folge von Kriegen. Sexualisierte Gewalt und andere Formen von seelischer und körperlicher Ausbeutung stehen an der grausamen Tagesordnung von Kriegen. Für Geschäftsleute ist Prostitution, in Ländern deren Volkswirtschaft aufgrund von kriegerischen Konflikten sehr schwach ist, vor allem ein lukratives Geschäft. Für junge Frauen in Kriegsgebieten bedeutet es meist die einzige Möglichkeit sich und ihre Familie ernähren zu können.

Weltweit ist der Handel mit Menschen (engl.: human trafficking) der am stärksten wachsende, kriminelle Handelszweig. Besonders in Kriegsgebieten und Post-Konflikt-Ländern ist das grausame „Geschäft“ mit Menschen riesig. Auch Kinder und minderjährige Jugendliche werden aufgrund der Perspektivenlosigkeit im eigenen Land zur Prostitution gezwungen und auf dem illegalen Markt „verkauft“.

 

Zerstörung von Kulturgütern

Kulturgüter – Bibliotheken, Kirchen, Tempel oder Moscheen, Statuen oder historische Bauten – sind im Kriegsfall oft ein ebenso beliebtes wie leicht verletzbares Ziel für militärische Aktivitäten.

Da Kulturgüter aller Art einen großen Teil zur Identitätsbildung der ansässigen Bevölkerung beitragen und außerdem Zeugen der Vergangenheit und der Traditionen einer ganzen Region sind, wurde 1954 die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten erarbeitet und bis heute auch von zahlreichen Staaten ratifiziert.

Scheitern von Staaten

In Postkonfliktstaaten sind der gesellschaftliche Zusammenhalt und das gesamte Staatswesen meist nachhaltig geschwächt. Aufgrund dessen sind Länder nach Beendigung eines Krieges oder Konflikts besonders anfällig für staatliche Zerfallserscheinungen.  Von einem Scheitern von Staaten bzw. von gescheiterten Staaten (failed states) spricht man in der Regel dann, wenn eine Regierung so schwach ist, dass sie keine Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet ausüben kann, und wenn sie nicht in der Lage ist, grundlegende öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Meist sind solche Staaten von hoher Kriminalität, Korruption und wirtschaftlichem Niedergang gezeichnet.  Zu all dem kommen häufig noch interne Machtkämpfe verschiedener regionaler Interessensgruppen.

Gescheiterte Staaten stellen ein hohes Sicherheitsrisiko nicht nur für die angrenzende Region, sondern für die gesamte Staatengemeinschaft dar.  Aufgrund dessen bemühen sich internationale Organisationen wie die UNO die Resilienz von Postkonfliktstaaten, das ist deren Resistenz gegen erneute Krisenerscheinungen und staatliche Schwäche, beispielsweise über Programme der Wiedereingliederung von KämpferInnen oder über soziale Versöhnung, nachhaltig zu stärken.

Links und Lesetipps

Das politikwissenschaftliche Magazin „Foreign Policy“ gibt jährlich einen „Failed States Index“ heraus, welcher die Staaten auf einer Skala von gescheitert bis konsolidiert, also gefestigt, nach verschiedenen Faktoren bewertet. Die Weltkarte ist unter Foreign Policy abrufbar.

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