Die Gruppe Wagner und ihre Involvierung im Ukraine-Krieg

Die Gruppe Wagner – sie gilt, ähnlich wie die Truppen des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, als äußerst brutal und skrupellos. Während von offiziell russischer Seite eine Verbindung zu dieser privaten Söldnergruppe geleugnet wird, so zeigen sich jedoch vielmehr zahlreiche Schnittstellen mit dem russischen Staat. Denn schließlich gilt die Gruppe Wagner gemeinhin als die „Schattenarmee“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die für ihn in Konfliktgebieten als Spezialeinheit operiert. Das gilt auch für den Krieg in der Ukraine im Jahr 2022, wo sich ebenfalls Hinweise auf die Aktivitäten der Gruppe Wagner finden lassen.

Die Entstehung der Gruppe Wagner: Von neonationalistischen Hintergründen, Menschenrechtsverletzungen und engen Verbindungen zum Kreml

Die Gruppe Wagner gilt offiziell als private Sicherheitsdienstleister. Im russischen Kontext bedeutet jedoch „privat“ alles andere als von einem Staat unabhängig zu sein. So weist die Gruppe Wagner Verbindungen zum russischen Geheimdienst (GRU), dem russischen Militär und vielen Putin-nahen UnternehmerInnen auf. Zwar muss die Gruppe nicht zwingend im russischen Interesse handeln, doch darf sie niemals gegen dieses handeln. So merkte Putin bei einer Pressekonferenz im Jahr 2018 an, dass die Einheit ihre geschäftlichen Interessen in der gesamten Welt verfolgen könne, doch dabei nicht gegen russische Gesetze verstoßen dürfe.

Dies ist insofern eine interessante Feststellung, da nach Artikel 359 des russischen Strafgesetzbuches der Einsatz von privaten Militärfirmen, die die Arbeit von SöldnerInnen als Dienstleitung anbieten, verboten ist, womit die Existenz der Gruppe Wagner nach russischem Gesetz eigentlich selbst schon illegal wäre. Illegal sind darüber hinaus aber auch ihre zahlreichen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, wie Folter, wahllose Tötungen, Vergewaltigungen oder Plünderungen. Daher wurden beispielsweise von der Europäischen Union im Dezember 2021 Sanktionen gegen Personen und Einrichtungen aus dem Umfeld der Gruppe Wagner verhängt. So erklärt die EU als Begründung: „Die Wagner Group hat private Militäragenten rekrutiert, ausgebildet und in Konfliktzonen auf der ganzen Welt entsandt, um unter Verletzung des Völkerrechts, einschließlich der internationalen Menschenrechtsnormen, Gewalt zu schüren, natürliche Ressourcen zu plündern und Zivilisten einzuschüchtern“ ¹. Die Gruppe Wagner hilft dem russischen Staat daher nicht nur bei gezielten Spezialoperationen, die aufgrund der Konstruktion von Putins Privatarmee noch dazu besser verschleiert bzw. geheim gehalten werden können. Sie hilft darüber hinaus auch dabei Gräueltaten zu verrichten, wofür sich Russland in der internationalen Staatengemeinschaft nicht rechtfertigen muss, da Russland stets eine Zusammenarbeit verneint.

Wie eng die Verbindung zu Putin jedoch tatsächlich sind, zeigt sich anhand der Gründungsgeschichte und den wichtigsten Anführern der Gruppe Wagner. Die Anfänge liegen in der Moran Security Group. Im Jahr 2014 kam im Rahmen der Krim-Annexion und der damit verbundenen Kämpfe in der Ostukraine eine eigene Teileinheit zum Einsatz. Diese erhielt den Namen „Gruppe Wagner“, den sie aufgrund ihres militärischen Führers Dimitrij Utkin bekommen hat. Utkin ist nicht nur ein ehemaliger Offizier des russischen Geheimdienstes, sondern ihm wird auch ein neonationalistisches Gedankengut nachgesagt. Daher gab sich Utkin selbst, in Anlehnung an Hitlers Lieblingskomponisten, den Kampfnamen „Wagner“, den er später auch auf seine Kampftruppe übertragen sollte. In Anbetracht der offiziell russischen Begründung für den Angriffskrieg in der Ukraine, nämlich der Entnazifizierung der Ukraine, ist dieser Umstand besonders fragwürdig. Im Jahr 2016 verlieh Putin Utkin sogar höchstpersönlich den russische Tapferkeitsorden.

Über den Armee-Kanal, aber auch über Jewgeni Prigoschin, besteht des Weiteren die direkte Verbindung zum Kreml. Prigoschin ist ein russischer Oligarch und gilt nicht nur als „Putins Koch“, sondern generell als langjähriger Bekannter Putins. Ihm kommt im Zusammenhang mit der Gruppe Wagner neben der Mittelsmann-Position auch noch die finanziellen Zuwendungen hinzu. Prigoschin ist aber nicht nur ein wichtiger Strippenzieher der Gruppe Wagner, sondern er leitet auch die russische Cyber-Troll-Farm, nämlich die Internet Research Agency.

Nach Ansicht eines ehemaligen Mitglieds der Gruppe Wagner, Marat Gabidulin, ist die Söldnertruppe daher, wenig überraschend, auch keine wirklich private Sicherheitsfirma, sondern in Wahrheit vielmehr Teil des russischen Verteidigungsministeriums. Geteilt wird diese Auffassung auch vom Center for Strategic and International Studies (CSIS), das ebenfalls eine tiefe Verflechtung zwischen der Gruppe Wagner und dem russischen Geheimdienst bzw. dem Militär ausgemacht hat. Diese naheliegende Verbindung zeigt sich laut dem russischen Militäranalysten, Ruslan Leviev, beispielsweise schon allein an dem militärischen Hauptstützpunkt der Gruppe Wagner. Denn dieser befindet sich schließlich auf dem Gelände der zehnten Brigade, bei der es sich um eine Spezialeinheit der russischen Armee handelt. Insofern wird schon allein durch diese Tatsache deutlich, dass es sich bei der Gruppe Wagner de facto um einen Teil des russischen Verteidigungsministeriums handelt, wie auch der der russische Militäranalyst Ruslan Leviev betont.

Der Einsatz der Gruppe Wagner im Ukraine-Krieg

Neben ihren ersten Einsätzen in der Krim und der Ostukraine, sollten später beispielsweise Einsätze in Syrien, Mali, Libyen, Sudan, der Zentralafrikanischen Republik, Madagaskar oder Mosambik folgen. Die Gruppe Wagner diente folglich dazu, die russischen Einflusssphäre vor allem in Afrika auszuweiten und dort die politischen Interessen Russlands gezielt durchzusetzen.

Im Zuge des Angriffskrieges ist die Gruppe Wagner im Jahr 2022 auch in der Ukraine aktiv. Nach westlichen Schätzungen, so der ORF, befinden sich im Frühjahr/Sommer 2022 circa 10.000 bis 20.000 Söldner der Gruppe Wagner im ukrainischen Kriegsgebiet. Wie das US- amerikanische Magazin „The New Yorker“ schreibt, so deckt sich diese Einschätzung auch mit dem Soufan Center, welches davon ausgeht, dass die Gruppe Wagner rund 90 Prozent ihrer KämpferInnen aus anderen Krisengebieten abgezogen und diese in die Ukraine entsendet hat.

Dies belegen des Weiteren auch Recherchen der BBC, die herausgefunden hat, dass Mitglieder bzw. VeteranInnen der Gruppe Wagner ein paar Wochen vor Kriegsausbruch über eine private Telegram-Gruppe zur Kriegsteilhabe animiert worden sind. Die Rede war von einem „Picknick in der Ukraine“, wo sie Salo, einen ukrainischen Schweinespeck, probieren wollen – eine Verharmlosung von dem, was sie im Ukraine-Krieg tatsächlich erwarten sollte. Hierzu wurden auch Personen aus Donezk, Luhansk und der Krim aufgerufen. Insbesondere für Kriminelle und Verschuldete sei dieses Angebot attraktiv gewesen, da etwa der Verdienst bei der Gruppe Wagner für russische Verhältnisse hoch ist.

In einem weiteren Bericht der BBC wird die Gruppe Wagner von der Professorin Tracey German, die zum Thema „Defence Studies“ an dem Kings College in London lehrt, beschuldigt, wenige Wochen vor dem Kriegsbeginn „false flag“-Angriffe in der Ostukraine ausgeführt zu haben, um Russland einen Invasionsgrund zu liefern. Unter „false flag“-Angriffen versteht man militärische Angriffe, die getarnt unter falscher (Landes-)Flagge ausgeübt werden, um anschließend hierdurch politischen Profit zu schlagen, indem man fälschlicherweise die gegnerische Partei für den Angriff beschuldigt.

Hauptsächlich aber, so berichtet der deutschen Nachrichtensender „n-tv“, ist die Gruppe Wagner zur Unterstützung der russischen Armee in der Ukraine deshalb von Nutzen, weil Ihre KämpferInnen aufgrund ihrer Ausbildung vor allem für schwierige und militärisch heikle Spezialeinsätze im ukrainischen Kampfgebiet herangezogen werden können. Hierzu zählt beispielsweise etwa auch die gezielte Tötung von wichtigen SpitzenpolitikerInnen, wie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj oder dem Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko. Darüber hinaus kann die Gruppe Wagner auch noch ideal als Unterstützung in einer Art Guerilla-Krieg zwischen den ukrainischen Hochhausruinen eingesetzt werden.

(red) (Stand: Juni 2022)

 

Links und Lesetipps

Bartz, Joachim/Bolchakova, Ksenia/Jousset, Alexandra (2022). Putins Söldner. Die Verbrechen der „Gruppe Wagner“ (abgerufen am 6.6.2022)

Friedrich, Julia/Masuhr, Niklas (2021). Analyse: Söldner im Dienst autoritärer Staaten: Russland und China im Vergleich (abgerufen am 6.6.2022)

Krause, Thomas (2022). Ukraine-Krieg. Gruppe Wagner: Das ist die umstrittene Söldnertruppe, von der Russland nichts wissen will (abgerufen am 6.6.2022)

n-tv (2022). Mord an Selensky und Klitschkos? „Wagner-Gruppe“: Das sind Putins brutale Geistersoldaten (abgerufen am 6.6.2022)

Safiarian, Kamran/Hrubesch, Simon (2022). „Söldnergruppe Wagner“ im Kriegseinsatz (abgerufen am 7.6.2022)

Quellen:

Bartz, Joachim/Bolchakova, Ksenia/Jousset, Alexandra (2022). Putins Söldner. Die Verbrechen der „Gruppe Wagner“ (abgerufen am 6.6.2022)

BBC (2022). What is Russia’s Wagner Group of mercenaries in Ukraine? (abgerufen am 6.6.2022)

Frankfurter Rundschau (2022). Putins Truppe fürs Schmutzige (abgerufen am 6.6.2022)

Friedrich, Julia/Masuhr, Niklas (2021). Analyse: Söldner im Dienst autoritärer Staaten: Russland und China im Vergleich (abgerufen am 6.6.2022)

Krause, Thomas (2022). Ukraine-Krieg. Gruppe Wagner: Das ist die umstrittene Söldnertruppe, von der Russland nichts wissen will (abgerufen am 6.6.2022)

n-tv (2022). Mord an Selensky und Klitschkos? „Wagner-Gruppe“: Das sind Putins brutale Geistersoldaten (abgerufen am 6.6.2022)

Miller, Jonas/Kagermeier, Elisabeth (2022). Asow-Regiment: Ukrainische Helden oder Extremisten? (abgerufen am 6.6.2022)

ORF (2022). Massaker in Mali. Botschaft des Kreml an Europa (abgerufen am 6.6.2022)

Razek, Hanan/Barabanov, Ilya (2022). War in Ukraine: How Russia is recruiting mercenaries (abgerufen am 6.6.2022)

Safiarian, Kamran/Hrubesch, Simon (2022). „Söldnergruppe Wagner“ im Kriegseinsatz (abgerufen am 7.6.2022)

Sommavilla, Fabian (2022). Legion. Internationales Freiwilligenheer und Putins Söldner ziehen in den Krieg (abgerufen am 6.6.2022)

Soufan Center (2022). IntelBrief: Taking Stock of the Wagner Group’s Expanding Footprint in Africa (abgerufen am 6.6.2022)

Tagesschau (2022). Laut britischer Regierung. Russland setzt Wagner-Truppe in der Ukraine ein (abgerufen am 6.6.2022)

Wright, Robin (2022). Will Mercenaries and Foreign Fighters Change the Course of Ukraine’s War? (abgerufen am 6.6.2022)

Fußnoten:

¹ Europäische Union (o.J.), zit. in: n-tv (2022). Mord an Selensky und Klitschkos? „Wagner-Gruppe“: Das sind Putins brutale Geistersoldaten (abgerufen am 6.6.2022)