Agustín Aguayo

Der 35-jährige US-Soldat und Kriegsdienstverweigerer Agustín Aguayo war wegen Desertion von Oktober 2006 bis April 2007 im US-Militärgefängnis in Mannheim inhaftiert. Am 21. Dezember 2007 erhielt er den Stuttgarter Friedenspreis.

„Ich konnte nicht so entmenscht leben“.

Agustín Aguayo spricht leise. Er ist keiner, der sich vordrängt. Er ist aber auch keiner, der Problemen aus dem Weg geht. Das kann man beileibe nicht sagen. Der 35-jährige ist Sanitäter in der US-Armee – und Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Nach einem einjährigen Irakeinsatz 2004 in Tikrit ging er lieber ins Gefängnis, als ein zweites Mal zurück zu seiner 1. US-Infanteriedivision für einen weiteren Einsatz im Irak.
„Der Krieg hat so viel Unheil über die irakische Bevölkerung gebracht. Und ich wollte nicht mehr Teil dieses Horrors sein. Auch um selbst bei Verstand zu bleiben“, sagte er dem Standard als er auf dem Weg nach Stuttgart Freitag bei den „Democrats Abroad Austria“ in Wien Station machte.
Zu Thanksgiving im November 2004 hätten seine Kameraden und er eine kleine Feier veranstaltet. Dann hieß es, es hätte einen Angriff gegeben: „Ein Iraker wurde in die Sanitätsstation gebracht, sein halbes Gesicht war weggeschossen. Er zitterte am ganzen Leib, kämpfte um sein Leben. Wir haben ihn stabilisiert, Auf dem Weg ins Krankenhaus ist er dann gestorben. Danach haben wir erfahren, dass er einem unserer Konvois zu nahe gekommen ist. Der Mann hatte nichts getan, wir haben ihn dennoch getötet.“
Solche Vorfälle gebe es regelmäßig, sagt Aguayo. „Sie haben uns gesagt: Ihr seid Soldaten, ihr müsst diesen Job ganz erledigen, also auch töten. Viele meiner Kameraden dachten nicht lange darüber nach, sie wollten einfach nur überleben. Ich konnte nicht so entmenscht leben.“
Weil er kein Feigling sei und auch nicht – wie viele GIs etwa in Kanada oder in Deutschland – untertauchen wollte, stellte sich Agustín Aguayo der US-Militärjustiz. Er wurde vor ein Kriegsgericht gestellt, wegen Desertion verurteilt und wenig später begnadigt. Aus der Armee entlassen ist der zweifache Familienvater aus Kalifornien noch immer nicht.
Das Argument, dass die USA nicht abziehen könnten, ohne den Irak in völliges Chaos fallen zu lassen, will Aguayo nicht gelten lassen. „Dies ist eine sehr schwache Argumentation. Die Irakis wollten uns nicht, sie haben nicht auf uns gewartet. Ich bin kein gebildeter Mann, aber ich kann sagen: Schlechter als heute kann die Lage dort nicht werden.“

Quelle

Christoph Prantner: „Ich konnte nicht so entmenscht leben“. Der Standard, 15./16.12.2007

Linktipp

www.aguayodefense.org