Afghanistan, Irak, Sudan

Internationale und nationale NGOs sind weltweit zunehmend Opfer von gewalttätigen Übergriffen in Krisen- und Kriegsgebieten. Zahlreiche Beispiele dafür bieten die großen Kriegsschauplätze Darfur, Irak und Afghanistan.

Ein Jahr lang war die Mitarbeiterin einer französischen NGO im Süden Afghanistans tätig und konnte – zwar sehr limitiert, aber doch – der Zivilbevölkerung Unterstützung in dieser mehrheitlich von der Taliban kontrollierten Gegend leisten. Eine Woche vor Ende ihres Einsatzes geschah jedoch das, mit dem die meisten in Afghanistan tätigen NGOs rechnen müssen: die Französin, ihr Nachfolger und drei lokale Mitarbeiter wurden von TalibankämpferInnen entführt. Nach wochenlangem Bangen um das Leben der EntwicklungshelferInnen wurden diese unversehrt freigelassen. Ein Riesenglück, das sicher seinen Preis hatte, obwohl von der französischen Regierung keine Angaben über das Freikaufen der Geiseln gemacht wurde. Unzählige andere NGO-MitarbeiterInnen aber mussten den höchsten aller Preise für ihren Einsatz in Afghanistan zahlen: Nach inoffiziellen Angaben hat Afghanistan weltweit die höchste Mordrate an EntwicklungshelferInnen. Seit dem Sturz der Taliban im Jahr 2003 sind fast 200 MitarbeiterInnen von NGOs und internationalen Organisationen, zumeist nationaler Herkunft, ermordet worden.

In Afghanistan, Somalia sowie im Irak und Sudan – jene Länder also, die von der UN als die gefährlichsten Kriegsschauplätze weltweit eingestuft werden – müssen sich EntwicklungshelferInnen zunehmend großen Gefahren aussetzen, um ihrem Mandat nachzukommen. Während es vor zehn Jahren noch vielmehr allgemeine Risiken waren, die man für die Arbeit in Krisen- und Kriegsgebieten auf sich nehmen musste, sind es heute immer mehr gezielte Angriffe auf NGOs. Obwohl sich die meisten NGOs dem Primat der Unparteilichkeit verpflichtet haben und diese Unparteilichkeit völkerrechtlich durch die Genfer Konventionen geschützt ist, sind sie heute zu beliebten Angriffszielen geworden. Oder sie werden für politische Zwecke instrumentalisiert.

Hinzu kommt, dass es auch genügend NGOs gibt, die sich politisch opportunistisch verhalten und somit dazu beitragen, dass die Arbeit von NGOs von Konfliktparteien oft mit großer Skepsis betrachtet wird. Die Humanitäre und Entwicklungshilfe sind letztendlich aber auch Teil des Big Business in Krisengebieten. Sobald eine humanitäre Krise genügend mediale Aufmerksamkeit erhalten hat und in der Folge internationale Gelder fließen, gibt es zahlreiche NGOs, die ohne die notwendigen Kapazitäten auf einmal in den Krisengebieten auftauchen. Dilettantisches Vorgehen gefährdet dann auch die Arbeit von anerkannten und professionellen Organisationen.

Unterschiedliche Risikomuster

Die Risiken sind jedoch von Kriegsgebiet zu Kriegsgebiet einzeln zu analysieren und zu bewerten. Im Irak sind zum Beispiel kaum internationale EntwicklungshelferInnen, sogenannte Expatriates, stationiert, da sie die größte Zielscheibe für Übergriffe darstellen. Die meisten Expatriates operieren von den Nachbarländern (Jordanien etc.) aus, während die Arbeit im Irak ausschließlich von IrakerInnen umgesetzt wird. Diese wiederum sind einem enormen Risiko ausgesetzt, da die Aufständischen auch mit grenzenloser Brutalität gegen KollaborateurInnen des Westens vorgehen.

In Afghanistan hingegen sind Expatriates zwar zunehmend Opfer von Entführungen, um Lösegelder zu erpressen, aber sie werden kaum von der Taliban gezielt verfolgt und getötet. Dafür ist das Sicherheitsrisiko für nationale NGO-MitarbeiterInnen oft viel größer. Gerade im Süden des Landes müssen diese fast täglich um ihr Leben und Überleben bangen. Doch oft bleibt keine andere Wahl als für NGOs zu arbeiten, da diese in Krisengebieten oft die wichtigsten Arbeitsgeber sind.

Im Sudan hingegen sind sowohl Expatriates als auch nationale MItarbeiterInnen von NGOs von der eskalierenden Gewalt betroffen. Ein Bericht von „Human Rigths First“ demonstriert die ausufernde Gewalt gegen EntwicklungshelferInnen in Darfur: Im Oktober 2007 wurden zahlreiche Meldungen über physische und psychische Gewaltübergriffe auf NGO-MitarbeiterInnen gesammelt. Nach Angaben von „Human Rights First“ sind alle in Darfur tätigen NGOs einer latenten Gefahr ausgesetzt, die von Raubüberfällen über Anwendung von Folter bis hin zu Drohungen gegenüber Familienmitglieder reicht. Raubüberfälle stehen auf der Tagesordnung, wobei sich vor allem Kleinfahrzeuge wie Land Cruiser großer Beliebtheit erfreuen. Als Folge kann ein Großteil der geplanten Hilfsaktivitäten nicht mehr oder nur sehr mangelhaft durchgeführt werden. (ae)

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