Das Asow-Regiment: Neonazis oder HeldInnen?

Das sog. „Asow“-Regiment erlangte im Zuge des Ukraine-Krieges 2022 durch die vehemente Verteidigung der ukrainischen Stadt Mariupol und des dortigen Stahlwerkes weltweite Aufmerksamkeit. Während die Asow-KämpferInnen hierfür von vielen als HeldInnen gefeiert werden, so nutzt die russische Seite den neonationalistischen Hintergrund von Asow u.a. als Beweis für ihre Entnazifizierungspropaganda. Die Frage, ob es sich bei den Asow-KämpferInnen tatsächlich um Neonazis oder um HeldInnen handelt, kann nur durch einen sorgfältigen Blick auf die Geschichte bzw. Entwicklung des Regiments geklärt werden.

Die Gründung des Freiwilligenbataillon Asow und der Asow-Bewegung

Im Jahr 2014 wurde Asow, ähnlich wie andere Freiwilligenbataillone in der Ukraine, gegründet, um die prorussischen SeparatistInnen im Donbass zu bekämpfen (hierbei ist es nach Organisationen, wie Human Rights Watch, jedoch auch zu Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen durch das Regiment Asow gekommen). Gegründet wurde Asow von Andrij Biletzki, einem Rechtsextremen. Wenige Monate nach der Gründung wurde Asow als Regiment in die ukrainische Nationalgarde eingegliedert und untersteht damit dem Innenministerium.

2014 zog sich Biletzki bereits aus dem Asow-Regiment zurück und führte stattdessen die Asow-Bewegung, allen voran seine neu gegründete rechtsextreme Partei „National Corps“, an. Während das Regiment also den militärischen Teil darstellt, so ist die Asow-Bewegung deren politischer Arm, wobei Regiment und Partei offiziell unabhängig voneinander sind (so kann man als aktives Mitglied des Regiments nicht teil der Partei sein).

HeldInnen oder Neonazis? Eine komplexe Debatte

Politisch motivierte Personen haben das Regiment daher verlassen und sich der Partei angeschlossen, die im Unterschied zum Regiment als weitaus ideologisch motivierter und eindeutig rechtsextrem eingestuft wird. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass KämpferInnen des Regiments für ihre erfolgreiche Verteidigung von Mariupol im Jahr 2014 für viele UkrainerInnen als NationalheldInnen gelten. Das gilt insbesondere auch seit ihrem vehementen Verteidigungsversuch von Mariupol im Jahr 2022 (,wofür ihnen nach Jurij Sirowatko, dem Justizminister der selbsternannten „Volksrepublik“ Donezk, die Todesstrafe droht). Während also das Regiment einen hohen Zuspruch innerhalb der ukrainischen Bevölkerung erfährt, so gilt das für die Partei nicht. Im Jahr 2019 scheiterte die Partei mit zwei Prozent der Stimmen klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Generell verloren die rechtsextremen Parteien im Jahr 2019 eindeutig an Stimmenanteilen, was somit die These der Entnazifizierung vonseiten der russischen Propaganda widerlegt (noch dazu ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der 2019 mit 73 Prozent der Stimmen gewählt wurde, ein Jude).

Die Begriffe „Nazis“ und „FaschischstInnen“ dienen daher vielmehr als effektives Propagandainstrument. Nach dem Politikwissenschaftler und Osteuropaexperten Andreas Umland ist Asow durch die Eingliederung in die Nationalgarde weitestgehend entideologisiert worden und RekrutInnen schließen sich seitdem vor allem aufgrund der Bekanntheit anstatt aufgrund eines rechtsextremen Gedankengutes an.

Daher fand durch die ukrainische Regierung eine zunehmende „Normalisierung“ von Asow statt, was jedoch international durchaus auf Kritik gestoßen ist, wie beispielsweise in den USA, wo das Regiment im Jahr 2019 fast als terroristische Organisation eingestuft worden wäre. Auch Verbindungen zur rechtsextremen Szene im Ausland, wie etwa zu der Partei „Dritter Weg“ in Deutschland, werden zurecht angeprangert. Von Beginn an war auch das Wappen von Asow umstritten, da es sich hierbei um die Wolfsangel handelt. Dieses Symbol wurde auch von der SS verwendet, wobei in der Ukraine die Wolfsangel nicht als nationalsozialistisches Symbol betrachtet wird und im Ukrainischen so viel wie „Unsere Nation“ bedeutet. Andere extremistische Symbole wurden mittlerweile entfernt.

Wie rechtsextrem das Regiment Asow letztlich ist, ist durchaus umstritten. Für den Politologen Andreas Umland oder den Historiker Vyacheslav Lykhachov etwa hat sich das Regiment durch die Eingliederung in die ukrainische Nationalgarde und durch die Trennung vom rechtsextremen Gründer entideologisiert. Andere politische BeobachterInnen, wie der Politikwissenschaftler André Härtel, sehen jedoch im Regiment trotzdem immer noch ein stark nationalistisches Weltbild vertreten. Letztlich warnen ExpertInnen zurecht davor, ein vereinfachendes Schwarz-Weiß-Denken hinsichtlich des Regiments Asow anzuwenden.

(red) (Stand: Juli 2022)

Links und Lesetipps

Bau, Matthias/Röttger, Tania (2022). Hintergrund. Asow, Bandera und Co.: Was steckt hinter Putins Narrativ von „Nazis“ in der Ukraine? (abgerufen am 1.7.2022)

Deutschlandfunk (2022). Asow-Regiment, Stepan Bandera & Co. Rechtsextremisten in der Ukraine und ihr Einfluss im Land (abgerufen am 1.7.2022)

Goncharenko, Roman (2022). Russlands Krieg gegen die Ukraine. „Asow“-Regiment: Die Extremisten in Mariupol (abgerufen a, 1.7.2022)

Miller, Jonas/Kagermeier, Elisabeth (2022). Asow-Regiment: Ukrainische Helden oder Extremisten? (abgerufen am 1.7.2022)

Nikolić, Vanja/ Çelik, Harun/Mischitz, Verena (2022). Erklärt! Das Regiment Asow: Rechtsextremismus in der Ukraine (abgerufen am 1.7.2022)

Stern (2022). Ukraine-Krieg. Nazis oder Helden? Das berüchtigte Asow-Regiment ist von Mythen umrankt (abgerufen am 1.7.2022)


Quellen:

Bau, Matthias/Röttger, Tania (2022). Hintergrund. Asow, Bandera und Co.: Was steckt hinter Putins Narrativ von „Nazis“ in der Ukraine? (abgerufen am 1.7.2022)

Bundeszentrale für politische Bildung (2018). Dokumentation: Menschenrechtsverletzungen der Freiwilligenbataillone (abgerufen 1.7.2022)

Cohen, Josh (2018). Commentary: Ukraine’s neo-Nazi problem (abgerufen am 1.7.2022)

Davidzon, Vladislav (2022). Gastbeitrag: The Defenders of Mariupol. Einst als Nazis verschrien: Asow-Regiment gilt nun als Symbol des ukrainischen Widerstands (abgerufen am 1.7.2022)

Deutschlandfunk (2022). Asow-Regiment, Stepan Bandera & Co. Rechtsextremisten in der Ukraine und ihr Einfluss im Land (abgerufen am 1.7.2022)

Goncharenko, Roman (2022). Russlands Krieg gegen die Ukraine. „Asow“-Regiment: Die Extremisten in Mariupol (abgerufen a, 1.7.2022)

Miller, Jonas/Kagermeier, Elisabeth (2022). Asow-Regiment: Ukrainische Helden oder Extremisten? (abgerufen am 1.7.2022)

Nikolić, Vanja/ Çelik, Harun/Mischitz, Verena (2022). Erklärt! Das Regiment Asow: Rechtsextremismus in der Ukraine (abgerufen am 1.7.2022)

ORF (2022). Separatisten: Asow-Stahl-Kämpfern droht Todesstrafe (abgerufen am 1.7.2022)

Spiegel (2022). Acht Milliarden – Russlands Krieg. Das Asow-Regiment – Neonazis oder Elitekämpfer? (abgerufen am 1.7.2022)

Stern (2022). Ukraine-Krieg. Nazis oder Helden? Das berüchtigte Asow-Regiment ist von Mythen umrankt (abgerufen am 1.7.2022)

Bildquelle:

Wikimedia (abgerufen am 3.7.2022)