Social Media & Information Warfare

 

Soziale Medien, wie TikTok, Instagram, oder X, nehmen eine zunehmend größere Rolle in unserem privaten, schulischen wie beruflichen Alltag ein. Zugleich sind sie zum zentralen Kanal des modernen Informationskrieges (Information Warfare) geworden. Gerade deshalb sind sie – neben klassischen Medien wie Radio, TV und Presse – eng verwoben mit unserer Wahrnehmung von, und unserer Beziehung zu Kriegen. Grundsätzlich sind die Rollen, welche Soziale Medien im Kontext von Kriegen einnehmen können, höchst unterschiedlich. Aus einer Friedensperspektive können sie sowohl positive als auch negative Auswirkungen in Konfliktsituationen haben. Dies hängt stets davon ab, in welcher Weise und mit welcher Intention sich Akteure der Funktionen von Social Media zu ihren Zwecken bedienen. Nachstehend werden einige der destruktiven Potenziale der Instrumentalisierung von Social Media im Kriegskontext beschrieben.

Informationsangriffe: Medien & die öffentliche Meinung

Im Rahmen der psychologischen Kriegsführung wird über die gezielte Kombination von Strategien versucht, zur Destabilisierung des Gegners beizutragen und zugleich die eigene Bevölkerung zu mobilisieren. Hierbei spielen Informationsangriffe eine wichtige Rolle: Einerseits können diese darauf zielen, die Infrastruktur gegnerischer Informationssysteme zu zerstören. Andererseits wird sich zunehmend ziviler Informationssysteme bedient, um sich einen strategischen Vorteil zu verschaffen: Zum Beispiel werden Kommunikationsmedien – Radio, TV, Presse und besonders Social Media – genutzt, um die öffentliche Meinung im eigenen Interesse zu beeinflussen – sei es um die eigene Bevölkerung von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen, oder um Unruhen auf Seiten des Gegners herbeizuführen bzw. zu verstärken.
Heute bezeichnet man dieses Vorgehen als „information influence operations“: Darunter sind „koordinierte Bemühungen (..) zur Beeinflussung eines Zielpublikums unter Einsatz einer Reihe von Täuschungsmitteln, einschließlich der Unterdrückung unabhängiger Informationsquellen in Kombination mit Desinformation“ (Europäische Kommission, 2020) zu verstehen. Entsprechend manipulative Strategien wie das Streuen von Fake News (Desinformation), Propaganda, Zensur oder Spionage sind keine Neuheiten in der Kriegsführung. Durch Social Media erhalten sie jedoch einen erheblichen Aufwind, indem ihre Funktionsweisen die Wirkung und Reichweite der Strategien im Vergleich zu herkömmlichen Medien maßgeblich erhöhen.

Was macht Social Media für die Kriegsführung so attraktiv?

Unsere Einstellungen, Meinungen und Einschätzungen zu einem­ Konflikt oder Krieg kommen oft nicht auf Grundlage von direktem Erleben und der eigenen Wahrnehmung zustande. Zumeist entstehen sie über sekundäre Darstellungen, die uns im Rahmen unseres Medienkonsums täglich vermittelt werden. Politische und militärische Strateg*innen wissen dieses ‘Potenzial’ der Medien zu nutzen, wenn es darum geht, Einstellungen, Meinungen und Verhalten von Menschen im eigenen Interesse zu beeinflussen.
Im Vergleich zu herkömmlichen Medien erleichtert die Beschaffenheit und Funktionsweise von Social Media ein solches Unterfangen enorm: Informationen fließen schneller und freier denn je, der Zugang ist niederschwellig und dem Inhalt sind nur wenige Grenzen gesetzt. Ebenso wie die Zwecke, für die wir Social Media nutzen, sind auch das Format und die Gestaltbarkeit des Contents vielfältig: So kann in etwa ein lustiges Reel, das wir vordergründig zur Unterhaltung ansehen, dennoch Informationen transportieren, ohne explizit den Anschein einer Nachricht zu erwecken. Die konsumierten Inhalte dienen uns folglich nicht immer bewusst als Informationsquelle und dennoch können sie auf subtile Weise unsere Wahrnehmung des Weltgeschehens prägen. Zudem verfügen Soziale Medien über zahlreiche (kostenfreie) algorithmische Funktionen, um spezifische Gruppen mit Content zu versorgen, der auf Grundlage ihres Nutzungsverhaltens auf sie zugeschnitten wurde. Dies kann unter anderem dazu beitragen, dass Nutzer*innen sich in digitalen ‘Echokammern’ wiederfinden.

Zusammenspiel technischer und sozialer Faktoren: Mediale Echokammern

Der Begriff Echokammer bezeichnet im übertragenen Sinne einen Raum, in dem bestimmte Aussagen verstärkt und andere, eher ‘störende’ Positionen, hingegen absorbiert werden. Hier wird die algorithmische Filterung von Informationen durch soziale Effekte verstärkt, indem Gleichgesinnte leichter zueinander finden und sich gegenseitig im Prozess der Meinungsbildung beeinflussen. Das kann dazu führen, dass der jeweilige Zugang zu Informationen stark limitiert wird und sich nur mehr auf das Umfeld der Echokammer beschränkt. Dies ist jedoch davon abhängig, ob die Nutzer*innen sich grundsätzlich eher einseitig informieren (z.B. nur in ebendiesem Sozialen Netzwerk), oder von der Vielfalt der multimedial verfügbaren Informationen Gebrauch machen. Wenn die Mediennutzung und das Meinungsbild in der jeweiligen Medienumgebung jedoch tendenziell einseitig sind, besteht die Gefahr, dass die für einen demokratischen Diskurs wichtige Meinungsvielfalt ausbleibt und die Nutzer*innen sich nur mehr gegenseitig in ihrer Meinung bestärken. Bei besonders selektiver Mediennutzung kann dies auch die Anfälligkeit gegenüber Fake-News befördern.
Indem die technische Beschaffenheit Sozialer Medien das Entstehen von Echokammern begünstigt, wird damit letztlich auch eine potenzielle Angriffsfläche für Versuche der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung sowohl im In- als auch im Ausland (z.B. über Desinformation oder Propaganda) geschaffen.
Letztlich ist es die Kombination aus effizienten, vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten verschiedener Plattformen, unserer alltäglichen Nutzung sowie der kognitiven Art und Weise, wie unsere Bilder über den Krieg zustande kommen, die Social Media zum Status als ‘wichtigster Kanal des modernen Informationskrieges’ verholfen hat. Doch jene Eigenschaften Sozialer Medien, die sich hier als Risiken eröffnen, stehen auch dem Einsatz für Frieden als Potenziale zur Verfügung.

 

Weiterführende Links

TikTok: Falsche Informationen, Kriegspropaganda und wie man sie erkennt – Bundeszentrale für politische Bildung (abgerufen am 29.01.2024)

Dossier Desinformation des Zentrum polis (abgerufen am 29.01.2024) 

Linksammlung von Bessere Welt Info zum Thema Informationskrieg (abgerufen am 29.01.2024)

Hilfreiche Tools

Erfahre, wie du Videocontent besser verstehen lernen kannst mit dem TikTok-Content-Check der Amadeu Antonio Stiftung. Wenn es dir schwer fällt, den gesehenen Content einzuordnen und du gerne darüber sprechen möchtest, findest du ihre Ansprechpartner*innen auch direkt auf TikTok!  (abgerufen am 29.01.2024)

Beim Faktencheck von CORRECTIV kannst du nachsehen, wie professionelle Journalist*innen aktuell zirkulierende Ereignisse beurteilen (abgerufen am 29.01.2024)

Du hast Fragen zu Krieg, Gewalt und Frieden? Auf frieden-fragen.de beantworten Expert*innen die Fragen von Kinder und Jugendlichen zu diesen Themenbereichen!

Quellen

Europäische Kommission. (2020). European Democracy Action Plan. Abgerufen am 22. Januar 2024 von https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0790&from=EN

Haim, M. (2020). Echokammer. Abgerufen am 29. Januar 2024 von Journalistikon. Das Wörterbuch der Journalistik: https://journalistikon.de/echokammer/

NATO. (2023). MEDIA – (DIS)INFORMATON – SECURITY. Abgerufen am 23. Januar 2024 von https://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/2020/5/pdf/2005-deepportal4-information-warfare.pdf

Singer, P. W., & Brooking, E. T. (Hrsg.). (2018). Like War: The Weaponisation of Social Media. Boston. New Yowrk: Houghton MIfflin Harcourt Publishing Company.

Streibl, R. E. (2010). Psychologische Kriegführung und „Information Warfare“. (N. Friedenskooperative, Hrsg.) FriedensForum. Psychologie des Friedens. Abgerufen am 18. Januar 2024 von https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/ausgaben/1-2010-psychologie-des-friedens

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