Frieden & Soziale Medien?
In Sozialen Medien werden uns regelmäßig Gewalt- und Kriegscontent in die Timelines gespült, in Kommentarspalten wird gehated, beleidigt und gestritten und es entsteht der Eindruck, dass Gewalt und Konflikt dort einfach dazugehören. Aber wenn man genauer hinsieht, haben sie auch viele Chancen für ein friedliches Miteinander. In diesem Artikel schauen wir uns ganz bewusst die ‚friedliche‘ Seite der Medaille an.
Begegnung & Vernetzung
Soziale Medien ermöglichen Austausch über Grenzen hinweg. Menschen können sich ortsunabhängig im Einsatz für gemeinsame Themen vernetzen. Trotz unterschiedlicher Hintergründe können sie ihre Perspektiven teilen und voneinander lernen, wie soziale Bewegungen und Friedensmacher*innen weltweit immer wieder zeigen. Es geht also nicht nur um geografische Grenzen – auch Grenzen der Weltsicht können überwunden werden: Soziale Medien können helfen, empathisch zu sein und andere Menschen besser zu verstehen, indem wir ihre Perspektiven kennenlernen – egal ob aus Österreich, oder anderen Ländern und Kontinenten. So können auch Vorurteile abgebaut werden, weil man ein besseres Verständnis für andere Lebensrealitäten bekommt. Dafür ist es aber wichtig, dass wir uns kritisch damit auseinandersetzen, wie wir Soziale Medien konsumieren, wie Algorithmen funktionieren und welche Informationen wir überhaupt zu sehen bekommen.
Dialog
Soziale Medien können auch Dialoge zwischen Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Welt möglich machen. In’s Gespräch zu kommen bzw. zu bleiben ist eine wichtige Voraussetzung für Frieden. Soziale Medien können zum Beispiel sogar dafür genutzt werden, um Konfliktparteien miteinander in Kontakt zu bringen. Denn gerade in aufgeladenen Konfliktdynamiken kann es ein Vorteil sein, dass die Kommunikation über Soziale Medien im Vergleich zu einer persönlichen Begegnung kontrollierter stattfindet – Menschen können ihre Aussagen und Handlungen überdenken und Emotionen wie Aggression zurückhalten, bevor sie die Fassung verlieren. Es gibt jedoch auch gewaltvolle Kommunikation, eben weil Menschen anonym kommunizieren können, was die Hemmschwelle senkt, (digitale) Gewalt anzuwenden.
Sprachrohr & Sensibilisierung
Über Social Media Content kann es gelingen, in kurzer Zeit große Aufmerksamkeit für verschiedene Themen zu schaffen. Ob gewaltsame Konflikte und Gewaltphänomene, oder gesellschaftliche Missstände: Man kann bei Menschen nicht nur Bewusstsein schaffen, sondern auch für den Einsatz für Frieden bzw. gegen Gewalt motivieren. In Konfliktkontexten wird das oft genutzt, um die internationale Gemeinschaft im Einsatz für Frieden zu mobilisieren. So können sie auch ein Sprachrohr für marginalisierte Perspektiven sein, also wenig gehörte, manchmal sogar unterdrückten Stimmen. Vor allem in traditionellen Medien wie Fernsehen, Radio und Presse finden diese oft keinen Raum. Ansonsten wenig vertretene Gruppen können in Sozialen Medien ihre Anliegen teilen und damit ein relativ großes Publikum erreichen.
Information vs. Desinformation
Soziale Medien ermöglichen transparentes, ungefiltertes und schnelles Teilen von Informationen. In Konfliktregionen werden oft Eindrücke aus dem dortigen Geschehen geteilt. So sehen wir auf verschiedenen Social Media Plattformen eine ganze Menge Kriegscontent. Das muss man allerdings differenziert betrachten: Von einem „Kriegstagebuch“, indem Betroffene aus ihrem Alltag in einer Konfliktregion berichten, bis hin zu Kriegsszenen von der Front kriegen wir Content zu sehen. Das Teilen und Dokumentieren kann Menschen helfen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten und ermöglicht Außenstehenden Einblicke in das Konfliktgeschehen aus einer Betroffenenperspektive. Das kann vor Allem wichtig sein, wenn die Meinungsfreiheit vor Ort stark eingeschränkt ist, oder die öffentliche Meinung stark von Desinformation und Propaganda geprägt ist. Außerdem können Menschenrechtsverletzungen, die auf Sozialen Medien geteilt werden, so von verschiedenen Organisationen überwacht, dokumentiert und geahndet werden. Man darf allerdings nicht vergessen, dass Kriegscontent für andere Nutzer*innen äußerst gewaltsam sein kann und oft ein Gefühl der Überforderung auslöst. Wie ihr in den Artikeln zu Informationskriegen und Sozialen Medien, oder am Beispiel des Ukraine-Kriegs lesen könnt, wird Kriegscontent außerdem oft als Desinformation verbreitet.
Die große Menge an Informationen und Daten in Sozialen Medien können aber auch in der Friedensforschung genutzt werden: Über die Analyse von Social Media Profilen kann erfasst werden, wie Nutzer*innen gegenüber bestimmten Themen eingestellt sind. Das kann im Rahmen einer Konfliktanalyse, einer wichtigen Methode in der Friedensarbeit, eine hilfreiche Ergänzung sein, um die Haltungen verschiedener Konfliktparteien zu verstehen und gemeinsame Werte zu finden. Allerdings kann genau diese Möglichkeit auch für Propagandazwecke missbraucht werden.
Soziale Medien sind für alle Altersgruppen, vor allem aber für junge Menschen der Ort, an dem man sich über das Weltgeschehen informiert. Als Informationskanal spielen sie eine wichtige Rolle für die individuelle Meinungsbildung, die wiederrum entscheidend ist, um das politische Geschehen mitgestalten. Soziale Medien sind also nicht nur ein wichtiger Ort für Journalismus, sondern auch für Bildung. Gerade auch Friedensbildung kann in, über und mithilfe von Sozialen Medien stattfinden: Verschiedene Organisationen und Gruppen teilen in ihrem Content Wissen, Tipps und Skills für den Umgang mit Konflikten und Gewalt, aber auch zur Frage, wie man sich für Frieden stark machen kann. Manchmal werden sie auch dazu genutzt, um eigene Vorstellungen und Ideen zum Thema Frieden, Krieg und Konflikt kreativ auszudrücken – z.B. über eigenen Content. Außerdem kann man sie dazu einsetzen, um Zugang zu einer größeren Vielfalt an Sichtweisen zu bekommen, die man im gewöhnlichen Klassenzimmer sonst nur schwer erreichen kann.
Das Friedensbüro Salzburg betreibt den Kanal „Creating Peace – Werkstatt für Friedenscontent“ . Du hast Lust selbst Friedenscontent zu machen, oder wünscht dir Infos zu einem bestimmten Thema? Dann schicke uns gerne eine DM!
Friedensengagement online?
Zuletzt ist es wichtig zu beachten, dass Soziale Medien ein Ort sind, an dem man sich für Frieden stark machen kann. Konflikte und Gewalt gibt es auch dort. Sie lassen sich als Zuschauer*in zwar einfach wegswipen, aber für Betroffene sind sie dennoch verletzend. Es ist also wichtig, dass wir auch dort Zivilcourage leisten, uns gegen Gewalt, Hass und Hetze positionieren und füreinander da sind. Mehr Infos dazu findest du hier:
- Wie kann ich digitale Zivilcourage leisten? – dazu arbeiten zum Beispiel ‚scrolll nicht weg‘, oder HateAid. Dort findest du Tipps, wie du in Social Media einschreiten kannst, und wohin du dich wenden kannst, wenn du selbst Opfer von Gewalt wirst.
- Außerdem haben wir eine Übersicht über weitere Anlaufstellen.
Es wurde deutlich, dass es immer zwei Seiten der Medaille gibt: In Sozialen Medien begegnen uns täglich Hass, verschiedene Formen von Gewalt und sogar Krieg Es gibt Ansätze, die davon ausgehen, dass solchen Herausforderungen über eine konfliktsensibleren Gestaltung Sozialer Medien begegnet werden kann. Auch können wir uns als Nutzer*innen für ein friedlicheres Miteinander im digitalen Raum stark machen. Andererseits bieten Soziale Medien viele Chancen für Frieden und Friedensarbeit: Dialog, Austausch und Vernetzung und die Möglichkeit, sich auszudrücken sind wichtig im Einsatz für Frieden und für das Mitgestalten von Politik und Gesellschaft.
(Red. Stand 2025)
Quellen
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Bieß, C. (2024). Konfliktsensibilität im digitalen Raum? Jugendliche zwischen Gewalt und Zivilcourage: – Implikationen für eine machtkritisch-transformative Friedensbildung. Klagenfurt: Universität Klagenfurt. Von https://netlibrary.aau.at/urn/urn:nbn:at:at-ubk:1-56102 abgerufen
Feierabend, S., Rathgelb, T., Gerigk, Y., & Glöckler, S. (2024). JIM-Studie 2024. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12 – 19-Jähriger. (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, Hrsg.) Stuttgart. Abgerufen am 2. Januar 2025 von https://mpfs.de/app/uploads/2024/11/JIM_2024_PDF_barrierearm.pdf
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Bildquelle: https://pixabay.com/de/illustrations/social-media-personen-2457821/ (Abgerufen am 25.02.2025)