Kriegsfotografie

Bilder sind mächtig. Zwiespältig ist ihre Macht, wenn sie vom Krieg erzählen. Sie können eine Kriegspartei als Befreier zeigen und die andere Partei als den sogenannten Bösen. Die gezeigte Brutalität kann aufrütteln, genauso wie abstumpfen. Kriegsfotografie ist Dokumentation, aber auch eine Form der Beteiligung am Kriegsgeschehen. Kriegsbilder aus der Vergangenheit sind Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. Wie damals so befinden sie sich auch in der digitalen Bilderflut von heute im Spannungsfeld zwischen Manipulation und Enthüllung.

„A world that cannot see, cannot change“
(„Eine Welt, die nicht sehen kann, kann sich nicht verändern“, Motto des World Press Freedom Day)

Hinsehen

Hätten wir eine Vorstellung davon wie es in den Konzentrationslagern von Auschwitz und Dachau ausgesehen hat, ohne Schwarzweiß-Bilder von ausgehungerten Körpern mit leerem Blick? Wäre die Antikriegsbewegung in den USA in den 70ern so groß geworden ohne das Bild vom schreienden, nackten Mädchen das unter Napalmbeschuss davonrannte?
Würden große Teile der Weltbevölkerung wissen, was vielen Frauen in Afghanistan angetan wird, ohne das Portrait von Aisha, der Frau, deren Ehemann ihr die Ohren und Nase abschnitt?
Fotografien aus Kriegsgebieten sind Beweismittel mit dem Potential zu berühren, auch zu schockieren. Emotionen sind im Journalismus wie auch in anderen politischen Feldern von großer Bedeutung. Und Bilder haben die Kraft solche Emotionen zu wecken. Sie können dazu beitragen, dass Menschen auf die Straßen gehen und protestieren. Sie können auch Regierungen unter Druck setzen, wie z.B. die veröffentlichten Fotos aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib. In Gerichtsprozessen können sie als Beweismittel verwendet und damit Dokument von Gerechtigkeitsbemühungen werden.

Unsichtbar

Was jedoch bedeutet es, wenn niemand hinschaut und dokumentiert? Wie viele Bilder wurden nie gemacht? Von der Russlandinvasion in Afghanistan, vom Krieg in Ruanda, von Folterungen in Nordkorea oder in weltweiten geheimen Gefängnissen? Von Tschetschenien, den Verschwundenen während der Diktaturen in Lateinamerika? Die andere Seite der Bilderflut im digitalen Zeitalter bedeutet Unsichtbarkeit. Die Frage, die beim Betrachten jedes Kriegsbildes gestellt werden kann, ist – was wurde nicht fotografiert und warum nicht?

Inszenierung

Soldaten, die die amerikanische Flagge über eine Statue von Saddam Hussein stülpen, eine Stadt, fotografiert nachts von einem Flugzeug aus, deren Bombenbeschuss wie ein Computerspiel wirkt – Fotografien eignen sich wie kaum ein anderes mediales Mittel zur Inszenierung und Manipulation. Im zweiten Weltkrieg zum ersten Mal in großem Stil von den Nationalsozialisten als Propagandamittel eingesetzt, folgten im Laufe der Geschichte zahlreiche Beispiele für den manipulativen Gebrauch von Bildern, so z.B. der Golfkrieg und der Krieg im Irak. Der Schriftsteller Martin Walser spricht über den Irakkrieg von einem „Bilderkrieg“.

„Fotografie kann weiterhin Manipulation oder Enthüllung bedeuten. Doch wie Susan Sontag feststellte: Bei aller Empathie und Reflexion, die durch Bilder ausgelöst wird, entfernt sich der Betrachter früher oder später wieder. Tatsächlich versteht den Krieg nur, wer ihn selbst erlebt hat. Für diejenigen, denen das erspart bleibt, ist die Kriegsfotografie dennoch ein Fenster, das Einblicke ermöglichen kann – sofern man es zulässt. Und sich die nötige Skepsis bewahrt.“ (Helmes, 2007: 20)

red 

Quellen, Links und Lesetipps 

Susan Sontag (2005): Das Leiden anderer betrachten. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Richard Whelan (Hrsg.) (2005): Robert Capa. Die Sammlung. Berlin: Phaidon Verlag.

DVD: War Photographer, Ein Dokumentarfilm von Christian Frei mit James Nachtwey. Regie: Christian Frei. Schweiz 2001.

www.rog.at (Reporter ohne Grenzen, Österreich)

Carles Guerra und Thomas Keenan (Kuratoren) (2010): Antiphotojournalism, an exhibition curated by Carles Guerra and Thomas Keenan, at La Virreina Centre de l’Imatge, Barcelona, 5 July – 10 October 2010.

Irene Helmes (2007): „Geschichte der Kriegsfotografie“. In: Süddeutsche Zeitung, 20.11. 2007, verfügbar unter http://www.sueddeutsche.de/kultur/bildergalerie-geschichte-der-kriegsfotografie-1.341769 (Abgerufen am 09.01.18)

Zitat aus World Press Freedom Day, verfügbar unter http://movingimages.files.wordpress.com (Abgerufen am 09.01.18)