OSZE und Russland
Das OSZE-Büro für Demokratie und Menschenrechte (ODIHR) entsandte aufgrund fehlender Kooperation und Behinderungen ihrer Arbeit (Probleme mit Visa usw.) keine WahlbeobachterInnen zu den Parlamentswahlen im Dezember 2007 in Russland.
Die OSZE verurteilte den Ablauf der Wahl als unfair: „Die Parlamentswahl in der russischen Föderation am 2. Dezember 2007 war nicht fair und hat etliche Vereinbarungen und Standards der OSZE und des Europarates für demokratische Wahlen verfehlt.“
Christian Strohal, Leiter von ODIHR, im Interview
Das Interview erschien in voller Länge in der österreichischen Tageszeitung Der Standard. Das Gespräch führte Markus Bernath.
Standard: Für westliche Regierungen ist ODIHR, das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, das „Markenzeichen“ der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Russland und eine Reihe von GUS-Staaten möchten es am liebsten abschaffen. Wie lebt es sich denn in diesem neuen Ost-West-Konflikt?
Strohal: Ich möchte es nicht einen Ost-West-Konflikt nennen. Das ist – so hoffe ich – vielleicht eine temporäre Erscheinung, die der globalen politischen Konjunktur geschuldet ist und Wahlen in bestimmten Ländern. Nein, ich sehe das anders. ODIHR ist gegründet worden, um jungen unabhängig gewordenen Staaten beim Übergang zur Demokratie zu helfen. Später ist das Mandat auf Menschenrechte und demokratische Einrichtungen für alle 56 Staaten erweitert worden. Wesentlich sind die staatlichen Verpflichtungen, für die ODIHR geschaffen wurde. Für manche Länder ist es einfacher, mit diesen Verpflichtungen zum demokratischen und rechtsstaatlichen Handeln umzugehen. Andere haben es nötig, dafür einen stärkeren politischen Willen zu entwickeln.
Standard: Die russische Seite sagt immer, Ihre Institution agiere unabhängig. So sei das nie geplant gewesen.
Strohal: Nein, natürlich war das von Anfang an so gedacht: Diese Institution hat ein langfristiges Mandat, es ist die Hauptinstitution in der sogenannten „menschlichen Dimension“ der OSZE. Wir sind nicht für jede einzelne unserer Tätigkeiten auf eine Konsensentscheidung des Ständigen Rats der OSZE angewiesen. Wir bekommen ein sehr detailliertes Budget von den 56 Staaten, wir berichten ständig zurück in den Rat.
Standard: ODIHR hat auf eine Beobachtung der russischen Duma-Wahlen verzichtet. Nicht weil die Organisation dieser Wahlen so tadellos war, sondern weil der Beobachtermission Hindernisse in den Weg gelegt wurden.
Strohal: Wir haben nicht auf die Beobachtung verzichtet, wir mussten verzichten. Die Mindesterfordernisse waren von russischer Seite nicht gewährleistet. Wir hatten einen langen Austausch mit den russischen Behörden, im Zuge dessen immer deutlicher gemacht worden war, dass wir mit wesentlichen Einschränkungen unserer Arbeit zu rechnen hätten: die Zahl der Beobachter wurde beschränkt, ihre Einsatzzeit; es gab Schwierigkeiten, unsere Vorbereitungsmission rechtzeitig ins Land zu schicken. Ausschlaggebend war, dass wir für technische Vorbereitungen nicht rechtzeitig Visa erhalten haben. Man schickt Wahlbeobachter nicht wie Touristen in ein Land.
Standard: Welche Botschaft wollten Sie Moskau damit geben?
Strohal: Es ging mir nicht um eine Botschaft. Odihr konnte nicht anders entscheiden als zu sagen, eine Beobachtung ist unter diesen Umständen nicht möglich. Wir haben alle Wahlen in Russland seit 1996 ohne Proleme beobachtet. Dieses Mal war alles anders.
Standard: Sind einige Einwände der Russen nicht gerechtfertigt? Warum hat noch nie ein russischer Diplomat eine Langzeitmission bei Wahlbeobachtungen führen können?
Wir haben zweimal russische Wahlleiter gehabt in Kanada und in Kroatien. Sämtliche leitende Funktionen werden international ausgeschrieben. Unser Ziel ist, das Personal aus allen OSZE-Staaten zu rekrutieren. Ich bin zuversichtlich, dass das geschieht. Wir haben mittlerweile Beobachter aus 45 Ländern, vor fünf Jahren waren es noch 30 Länder.
Quellen
Christian Strohal im Interview mit Markus Bernath: „Dieses Mal war alles anders“. Der Standard, Mo/Di/Mi 24./25./26.12.07
OSZE (Abgerufen am 15.03.18)