NATO
Am Beispiel:
Die NATO (Abkürzung für “North Atlantic Treaty Organization”, im Deutschen oft auch „Nordatlantikpakt“ oder „Nordatlantisches Bündnis“ genannt) ist ein politisch-militärisches Bündnis, welches im Jahr 1949 von westlichen Staaten gegründet wurde. In den ersten 40 Jahren diente die NATO vor allem zur Abschreckung des politischen Gegners, nämlich dem kommunistischen Ostblock, welcher von der Sowjetunion dominiert wurde. Nach dem Ende des Kalten Krieges bestand die NATO jedoch weiterhin fort und passte ihren Aufgabenbereich entsprechend an. Heute zählt die NATO 30 Mitgliedsstaaten, wobei Finnland und Schweden im Jahr 2022 im Zuge des Ukraine-Krieges verkündeten, der NATO ebenfalls beitreten zu wollen – bei einer entsprechend erfolgreichen Ratifizierung wird die NATO somit 32 Mitglieder zählen.
Die Gründung der NATO
Am 4. April 1949 wurde die NATO von zwölf europäischen und nordamerikanischen Staaten gegründet. Ziel war es, die politische und militärische Bedrohung durch die kommunistische Sowjetunion einzudämmen. Als Gegenreaktion darauf schuf die Sowjetunion anschließend den Warschauer Pakt, der als direkte Gegenorganisation der NATO galt. Nach dem ersten NATO-Generalsekretär, Lord Hastings Ismay, hatte die NATO damals vor allem drei Aufgaben: „Keep the Soviet Union out, the Americans in, and the Germans down [Die Sowjetunion draußen, die AmerikanerInnen drinnen und die Deutschen unten zu halten]“ ¹. Die NATO hatte früher in erster Linie die Rolle der Bündnisverteidigung. In diesem Zusammenhang stellt insbesondere Artikel 5 des Nordatlantik-Paktes einen wichtigen Punkt dar. Denn schließlich wird hier der sog. „Bündnisfall“ angesprochen, der besagt, „dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen […] Beistand leistet“ ². Hierdurch sollte ein direkter Krieg zwischen dem Ost- und Westblock verhindert werden (und tatsächlich kam es nie zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA, der Sowjetunion und ihren jeweiligen Militärblöcken – allerdings kam es zu sog. Stellvertreterkriegen). Neben der militärischen Perspektive, sieht sich die NATO selbst darüber hinaus auch als Wertebündnis aus liberalen demokratischen Staaten.
Die Entwicklung der NATO nach dem Ende des Kalten Krieges
Nach dem Zerfall der Sowjetunion blieb die NATO trotzdem erhalten, obwohl der eigentliche „Hauptfeind“ nicht mehr vorhanden war und die Relevanz bzw. Funktion der Allianz teilweise stark hinterfragt wurde. Die NATO blieb jedoch nicht nur erhalten, sondern auch ihr Aufgabenbereich sollte sich deutlich erweitern. Während das Hauptziel der NATO davor die Abwehr und Verteidigung gegen die Sowjetunion auf ihrem eigenen Territorium war, so sind aus Sicht der NATO die Sicherung und Erhaltung von Freiheit und Frieden außerhalb ihres eigenen Territoriums (z.B. im Auftrag der UN oder der OSZE) ihr heutiger Hauptfokus. In diesem Kontext kann auch auf den Jugoslawienkrieg verwiesen werden, wobei der NATO-Einsatz hier mehrheitlich als völkerrechtswidrig betrachtet wird. Eine inhaltliche Umorientierung zeigt sich ebenfalls durch die Gründung der NATO-Partnerschaft und dem NATO-Russland-Rat. Ein weiterer wichtiger Punkt hierbei ist die NATO-Osterweiterung, wodurch viele ehemalige Ostblock-Staaten dem Militärbündnis aus sicherheitspolitischen Gründen freiwillig beitraten. Diese Entwicklung wurde von Russland immer wieder als Bedrohung und als Hinderungsgrund für die Verwirklichung von Gorbatschows Vision eines „gemeinsamen Haus Europa“ ³ interpretiert. Ein bedeutsamer Beweggrund für die ehemaligen Ostblock-Staaten war die Angst vor zukünftigen russischen Aggressionen, wie etwa in den baltischen Ländern. Ausgerufen wurde der Bündnisfall jedoch bisher nur einmal, nämlich durch die USA im Zuge der terroristischen Anschläge am 11. September 2001. Der Kriegsbegriff wurde somit um den „war on terror“ (Krieg gegen den Terrorismus) erweitert. Auch die Sicherheitsstrategie wurde ergänzt, wodurch etwa seit dem Jahr 2010 der „cyber war“ (Cyber-Krieg) als Bedrohung für die Sicherheit wahrgenommen wird.
Wichtige Themen und Herausforderungen der NATO heute
Nichtsdestotrotz wurde die NATO in der jüngeren Vergangenheit durchaus auch kritisiert. So bezeichnete der ehemalige US-Präsident Donald Trump die NATO als „obsolet“ ⁴ oder der französische Präsident Emmanuel Macron stellte gar deren „Hirntod“ ⁵ fest. Auch Probleme bei der Durchsetzung des Zwei-Prozent-Zieles (zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für militärische Zwecke) sorgte für interne Auseinandersetzungen. Des Weiteren wird NATO auch von den Ländern des globalen Südens und der Friedensforschung aufgrund ihres geopolitischen ökonomischen Primats kritisiert. Dennoch wird von manchen politischen BeobachterInnen die Notwendigkeit einer gestärkten NATO betont – das gilt insbesondere für die zunehmende Bedrohung vonseiten Chinas. Hierbei werden vor allem die Gefahr eines Cyber-Krieges, die nukleare Aufrüstung und auch die engere Zusammenarbeit mit Russland von der NATO kritisch betrachtet. Im Jahr 2020 hält die NATO China offiziell als systemischen Rivalen fest, dessen zunehmender Machteinfluss als sicherheitspolitische Gefahr für die Allianz gilt. In Anbetracht des Ukraine-Krieges vergrößerte sich im Jahr 2022 die Bedeutung der NATO als sicherheitspolitisches Bündnis zusätzlich. So unterstützt die NATO nicht nur die Sanktionen gegen Russland, sondern verstärkte auch die Ostflanke und will generell mehr SoldatInnen in Einsatzbereitschaft halten. Militärisch greift die NATO in den Ukraine-Krieg jedoch nicht ein, da die Ukraine kein NATO-Mitglied ist (Anm.: Im Zuge der illegalen Annexionen im September 2022 beantragte die Ukraine einen beschleunigten NATO-Beitritt, dessen Ratifizierung in Kriegszeiten jedoch als unwahrscheinlich gilt, da ein Bewerberstaat keinen aktiven Grenzkonflikt führen darf und auch die direkte Konfrontation mit Russland von der NATO vermieden werden will).
(red) (Stand: Oktober 2022)
Links und Lesetipps
Augsburger Allgemeine (2022). NATO. Was ist ein NATO-Bündnis-Fall (abgerufen am 25.7.2022)
Bundeszentrale für politische Bildung (2022). NATO-Osterweiterung (abgerufen am 25.7.2022)
Bundeszentrale für politische Bildung (2019). Vor 70 Jahren: Gründung der NATO (abgerufen am 25.7.2022)
Deutschlandfunk (2022): Krieg in der Ukraine. Die NATO und ihre Ostflanke (abgerufen am 25.7.2022)
Frankfurter Allgemeine Zeitung (2022). Reaktion auf NATO-Antrag. Jetzt kein Beitritt der Ukraine (abgerufen am 3.10.2022)
Morgen, Sven (2019). Die NATO. Deutschland im Bündnis (abgerufen am 25.7.2022)
Paal, Gabor (2022). Zeitgeschichte. Gab es Zusagen an Moskau, die NATO nicht nach Osten zu erweitern? (abgerufen am 3.10.2022)
Schaunitzer, Maria (2022). Was hat die Nato Russland versprochen? (abgerufen am 3.10.2022)
Toyka-Seid, Christiane/Schneider, Gerd (2022). NATO (abgerufen am 25.7.2022)
Tagesschau (2022). Beitritt der Ukraine. Neun NATO-Staaten machen ein wenig Druck (abgerufen am 3.10.2022)
Ulrich, Stefan (2019). Kosovo-Krieg. Recht oder Moral (abgerufen am 3.10.2022)
Zeyn, Martin (2022). Putins Propagandakrieg. Bedroht die NATO-Osterweiterung Russland? (abgerufen am 3.10.2022)
Zumach, Andreas (2016). Der enttäuschte Traum vom gemeinsamen Haus Europa (abgerufen am 7.10.2022)
Quellen:
Augsburger Allgemeine (2022). NATO. Was ist ein NATO-Bündnis-Fall (abgerufen am 25.7.2022)
BBC (2017): Trump worries Nato with ‚obsolete‘ comment (abgerufen am 25.7.2022)
Bundeszentrale für politische Bildung (2022). NATO-Osterweiterung (abgerufen am 25.7.2022)
Bundeszentrale für politische Bildung (2019). Vor 70 Jahren: Gründung der NATO (abgerufen am 25.7.2022)
Deutschlandfunk (2022): Krieg in der Ukraine. Die NATO und ihre Ostflanke (abgerufen am 25.7.2022)
Escher, Manuel (2022). Nato-Gipfel: Allianz auf schmalem Grat (abgerufen am 25.7.2022)
Fraioli, Paul (2021). China’s Place on the NATO agenda, in: Strategic Comments, 27(5), 1-3.
Frankfurter Allgemeine Zeitung (2022). Reaktion auf NATO-Antrag. Jetzt kein Beitritt der Ukraine (abgerufen am 3.10.2022)
Heisbourg, Francois (2020). NATO 4.0: The Atlantic Alliance and the Rise of China, in: Survival, 62(3), 83-102.
Gutschker, Thomas (2022). NATO-Erweiterung. Erdogans Schatten über einem „historischen Tag“ (abgerufen am 25.7.2022)
Morgen, Sven (2019). Die NATO. Deutschland im Bündnis (abgerufen am 25.7.2022)
NATO (2021). Brussels Summit Communiquè. Issued by the Heads of State and Government participating in the meeting of North Atlantic Council in Brussels 14 June 2021 (abgerufen am 25.7.2022)
Oertel, Janka (2019). NATO’s China Challenge, in: Whitehall Papers, 95(1), 67-80.
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Schimmelfennig, Frank (2021). Internationale Politik, Paderborn.
Schubert, Klaus/Klein, Martina (2018). Das Politiklexikon. Begriffe, Fakten, Zusammenhänge, Bonn.
Süddeutsche Zeitung (2020). Regierung. Trump wollte Nato angeblich mit Austritt der USA drohen (abgerufen am 25.7.2022)
Tagesschau (2022). Beitritt der Ukraine. Neun NATO-Staaten machen ein wenig Druck (abgerufen am 3.10.2022)
The Economist (2019): The future of the EU. Emmanuel Macron warns Europe: NATO is becoming brain-dead (abgerufen am 25.7.2022)
Tiroler Tageszeitung (2022). Norderweiterung: „Wahrhaft historischer Moment“ für die NATO (abgerufen am 25.7.2022)
Toyka-Seid, Christiane/Schneider, Gerd (2022). NATO (abgerufen am 25.7.2022)
Ulrich, Stefan (2019). Kosovo-Krieg. Recht oder Moral (abgerufen am 3.10.2022)
Varwick, Johannes (2017). NATO in (Un-)Ordnung. Wie transatlantische Sicherheit neu verhandelt wird, Bonn.
Woyke, Wichard (2003). NATO, in: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, München, 324-329.
Zeyn, Martin (2022). Putins Propagandakrieg. Bedroht die NATO-Osterweiterung Russland? (abgerufen am 3.10.2022)
Zumach, Andreas (2016). Der enttäuschte Traum vom gemeinsamen Haus Europa (abgerufen am 7.10.2022)
Bildquelle:
Wikimedia (abgerufen am 12.10.2022)
Fußnoten:
¹ Ismay, Hastings Lionel (o.J.), zit. in: Morgen, Sven (2019): Die NATO. Deutschland im Bündnis (abgerufen am 25.7.2022)
² NATO (1949), zit. in: Deutschlandfunk (2022): Krieg in der Ukraine. Die NATO und ihre Ostflanke (abgerufen am 25.7.2022)
³ Gorbatschow, Michail (1990), zit. in: Zumach, Andreas (2016). Der enttäuschte Traum vom gemeinsamen Haus Europa (abgerufen am 7.10.2022)
⁴ Trump, Donald J. (2017), zit. in: BBC (2017): Trump worries Nato with ‚obsolete‘ comment (abgerufen am 25.7.2022)
⁵ Macron, Emmanuel (2019), zit. in: The Economist (2019): The future of the EU. Emmanuel Macron warns Europe: NATO is becoming brain-dead (abgerufen am 25.7.2022)